Volltext: Die Malerei von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. 3, Hälfte 2)

Malerei 
holländifclme 
Jahrhunderts. 
Schule. 
Leidener 
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aller menfchlichen Schwächen, Eitelkeiten und Lafter. Zu alledem hat er weit 
Öfter als irgend ein anderer holländifcher Sittenmaler hiliorifclie und biblifche 
Vorgänge gemalt; aber natürlich fafst er auch diefe fittenbildlich, fafst er befon- 
ders altteftamentarifche Vorgänge zugleich humoriflifch und {atirifch auf. Jan 
Steen iPc Meifter der Charakterifiik und des geiftigen Ausdrucks, wie Wenige, 
wenngleich er, {einem {atirifchen Grundzug entfprechend, nicht {elten karikirt; 
die Anordnung {einer Bilder ift niemals {tilifiifch abgewogen, dafür {tets un- 
mittelbar packend lebendig; in der Durchführung aber ift er {o ungleich, wie 
kein zweiter berühmter Meifler. Manchmal liefs er {ich gehn und zeichnete 
und malte faft {chülerhaft nachläffig, kalt, hart und leer; wenn er {ich aber 
zufammennahm, {chuf er Meiiierwerke des Pinfels und der Palette, die an Sorg- 
falt der Durchbildung innerhalb keck flotter Vortragsweife, an geiitvoller Zu- 
{ammenflimmung lebhafter, aber eigenartig gewählter Localfarben und zugleich 
an Tiefe und Fülle des Helldunkels die Bilder faft aller übrigen holländifchen 
Sittenmaler hinter {ich zurücklaffen. 
Diefe Ungleichheiten erklären {ich zum Theil aus den wechfelnden Schick- Sein Leber 
{alen {eines bewegten Lebens. Jan Steen war um 1626 zu Leiden geboren; 
aufser Nik. Knupfer werden auch Jan van Goyen im Haag und Adriaen van 
Oflade in Haarlem i) als {eine Lehrer genannt. Allein von diefen beiden MeiPcern 
hat Jan Steen wenig oder nichts. In Bezug auf van Goyen iPc die Meinung 
wahrfcheinlich nur dadurch entftanden, dafs diefer {ein Schwiegervater wurde; 
und wenn Jan Steen in Haarlem in der Lehre gewefen, {o hat er {ich dort 
wahrfcheinlich unter dem unmittelbaren Einflufs des Dirk Hals (oben S. 601) 
entwickelt T), an deffen Typen und an de{{en Färbung in einigen Jugendbildern 
des Meifiers Anklänge gefunden werden; z. B. in der vHochzeitsgefellfchaft(r 
des Deffauer Schloffes, in dem vBrautzuge von 1653 der Sammlung Six zu 
Amlterdam, in der durch {arkaflifchen Humor ausgezeichneten Bordellfcene 
des Berliner Mufeums und in der wüften Scene vNach dem Gelager des 
Amfterdamer Reichsmufeums (Fig. 621). Sicher iPc, dafs Steen 1648 Mit- 
glied der St. Lucasgilde {einer Vaterftadt Leiden wurdeß), aber fchon im 
folgenden Jahre nach dem Haag zog, wo er 1649 van Goyen's Tochter 
Margaretha heirathete und 1654 noch Bürgerfchütze wurde4). Inzwifchen 
war er 1653 wieder der Leidener Gilde beigetreten, und in Leiden 
wohnte er bis 1658. Dann zog er nach Haarlem, wo er 1661-1669 nach- 
weisbar iftä): Schliefslich aber liefs er {ich ganz in {einer Vaterftadt nieder. 
Nachweisbar ift er hier wieder {eit 1672, und am 3. Februar 1679 wurde 
er hier begraben. Sein Lebensglück war ein wechfelndes. Dafs er 1672 
in Leiden die Conceffion erhielt, eine Wirthfchaft zu führen, iPt nachgewiefen. 
Die meiften Anekdoten aber, welche Houbraken und Campo Weyermann 
über ihn und {ein wüfies Leben erzählen, haben {ich durch die neuere 
I) S0 noch Weflrhecne a. a. O. p. 75. 
2) W. ßvde, Studien, S. 193-196.  
3) Oärzezf: Archief V, p. 207; vgl. 214 Anm.; 250. 
4) A. Brediux in v. Lülzazefs Kunfichronik XVII (1882) S. 
5) Van der Willzigen, Les artißes de Harlem, Ed. 1870 p. 
574- 
267-
	        
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