Volltext: Die Malerei von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. 3, Hälfte 2)

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Sechstes Buch. 
Abtheilun g. 
Zweiter 
Abfchnitt. 
unmittelbare Nähe des Waffers erfüllt ihn mit feuchten Beftandtheilen, welche 
die Macht der Lichtfirahlen brechen und der Luft oft felbft bei gutem NVetter 
das Anfehen eines duftigen, die Localfarben in Ton auf löfenden Schleiers geben l). 
Tonmalerei. In folchem vToner fahen die holländifchen Künftler ihre Natur, und in folchem 
vTonee malten fie fie daher auch. Nicht, dafs {ie reine Localfarben unter 
reiner Luft nicht darzufiellen verftanden hätten. Gelegentlich geftattet felblt der 
holländifche Himmel dem Künftler, Studien in diefer Richtung zu machen; und 
es haben {ich immer holländifche Künftler gefunden, welche folche Gelegenheiten 
zu ergreifen verftanden. In der Regel aber beherrfcht in der holländifchen 
Malerei der Ton doch die Localfarbe; und der Ton der holländifchen Gemälde 
läfngfll- wird wieder ebenfo oft von einem ausgebildeten Helldunkel getragen, wie es 
dem holländifchen Künftler geftattet war, ein folches der Wirklichkeit abzufehen; 
und das war in Holland öfter der Fall, als vielleicht in irgend einem anderen 
Lande des europäifchen Feftlandes. Unter freiem Himmel erzeugt fchon der 
Kampf des vollen Sonnenfcheines gegen den Nebelflor der gefchilderten Art 
ein eigenartiges Helldunkel, in dem manchmal eine tiefe Goldgluth, manchmal 
ein kühles Grau den Ton angiebt, wird das Helldunkel über der Landfchaft 
oder dem Meere aber noch öfter durch die Wolken erzeugt, welche den 
Himmel theilweife bedecken und grofse, mit hellen Lichtftellen Wechfelnde 
Schatten auf Land und Waffer hinabwerfen; und diefe Helldunkelwirkungen 
 fpiegeln (ich natürlich befonders in den holländifchen Bildern wieder, die unter 
freiem Himmel fpielen. Aber auch ihre gefchloffenen Räume hüllten die Hol- 
länder fchon in Wirklichkeit, da fie tiefe Zimmer bevorzugten und das vorn 
grell einfallende Licht theilweife durch Vorhänge dämpften, in ein fo aus- 
geprägtes Helldunkel, wie kaum ein anderes Volk; und die Folge davon war, 
dafs die holländifchen Künftler als feine Beobachter ihren in gefchloffenen 
Räumen fpielenden Sittenbildern den Reiz eines fo echten und fo feinen Hell- 
dunkels, wie es nie und nirgends dargeftellt worden war, zu verleihen wufsten. 
Ja, da die lebensgrofsen Bildniffe oft genug in folchen Zimmern gemalt werden 
mufsten, felbft wenn der MeiPcer ihnen nur einen einfarbigen Grund gab, fo 
erklärt es (ich, dafs gerade manche Bildniffe  befonders diejenigen Rem- 
brandts  ohne fichtbaren Anlafs {ich mit dem geheimnifsvollen Schleier des 
Helldunkels fchmücken. Der gröfsere Theil aller diefer Lichtwirkungen, an denen 
die holländifche Malerei fo reich ift, beruht eben auf treuer Naturbeobachtung. 
reaüDitiäche Es gehörte aber auch die entwickelte malerifche Technik, man möchte 
Ivlßlweife- fagen die realiftifch ausgebildete Malweife der Holländer dazu, um diefer Richtung 
volle Geltung zu verfchaffen. Was unter einer folchen realiftifch malerifchen 
Technik zu verflehen, leuchtet fofort ein, wenn man die mittelalterlichen Gemälde 
der romanifchen Zeit mit ihren dick gezogenen fchwarzen Umrifslinien, innerhalb 
deren die wirklichen oder {tiliflrten Localfarben fchlicht und ohne befondere 
 Modellirung aufgetragen fmd, den holländifchen Gemälden des 17. Jahrhunderts 
mit ihren weich, faft unmerklich von einander fich abhebenden Umriffen, ihrer 
feinen Modellirung, ihren zarten Uebergängen gegenüberftellt. Einer realiftifchen 
Pinfelführung mufs es eben, wie fchon wiederholt bemerkt worden, gelingen, alle 
Verfaffers 
n Kunß- 
Nakurfkizzen u
	        
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