holläudifche
Die
Malerei
des
Jahrhunderts.
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Landfchafts- und die See-Malerei in Holland auf neuen Wegen zu eigenartiger
Vollendung emporftrebte, und dafs felbit das Architekturftück, das Stilleben
und das Frucht- und Blumenflück erft durch holländifche Meifterhände ihre
reiffte Ausbildung erhielten. Es würde uns jedoch zu weit führen, hier im
Voraus die Befonderheiten der holländifchen Auffaffung und Durchführung von
Bildern aller diefer Fächer zu charakterifiren.
Nur die allen Fächern gemeinfamen Eigenheiten und Vorzüge der hol- d:so{fäf;n_
ländifchen Kunft müffen wir uns hier noch kurz zu vergegenwärtigen fuchen. Rg;l'iil:3s_
Dafs die holländifche Malerei, wenn man die hergebrachte Bezeichnung der
hauptfächlichften Kunftrichtungen als idealiftifch und ftiliPcifch auf der einen, als
realiflifch und individualiftifch auf der anderen Seite gelten laffen will, zu den
letzteren gehört, braucht nach allem Gefagten kaum noch wiederholt zu werden.
Realiflifch ifl fie in der That nicht nur ihrem Stoffgebiet, fondern auch ihrer
Auffaffung und ihrer Behandlung nach. Sie theilt daher auch alle Vorzüge
jeder gut realiflifchen Kunft: fie fleht nicht nur in allen Menfchen, welche fie
darftellen will, Einzelwefen, von denen jedes uns mit dem Reize ausgefprochenen
Eigenlebens entgegentritt, fondern fie weifs in gleicher Weife auch die Thiere,
die Bäume, die Pflanzen, ja felbft die unorganifche Natur und die Werke der
Menfchenhand, Gebäude und Strafsen, zu individualifiren und dadurch innerlich zu
befeelena; ihre Schöpfungen flöfsen uns daher immer neues Intereffe ein, packen
uns mit der vollen Kraft der Unmittelbarkeit und regen uns in fo mannich-
faltiger Weife an, wie die Werke kaum einer anderen Schule; fie laffen uns
tiefe Blicke in das durch fcharfe Beobachtung erfafste Seelenleben der ver-
fchiedenilen Charaktere und fogar in das nur gealinte Leben und Weben eines
unfichtbaren Weltgeifts in der ganzen Schöpfung thun. Freilich aber theilt die ff; ljfehfg;
holländifche Malerei die Kehrfeite diefer KunPrrichtungI die Klippe des Derben Vorzüge-
llnd Unfchicklichen vermeidet fie nicht unter allen Uinftänden; und da fie nur
darfiellen will und kann, was fie unmittelbar fleht und beobachtet, fo ift ihr
nicht nur die feinere Linienwirkung der höheren monumentalen und decorativen
Kunft, fondern auch die Möglichkeit verfchloffen, lebendige Handlungen in
Wuchtiger Gefchloffenheit wiederzugeben. Sie ftellt im Wefentlichen, hierin, wie
in vielen Stücken, der venezianifchen Malerei verwandt, ruhige Vorgänge dar
und fteht der benachbarten vlämifchen Kunft in der Darfiellung dramatifcher
Augenblicke in der Regel eben fo fehr nach, wie fie ihr in der Wiedergabe
eigenartig ausgeprägter Charaktere überlegen ifl. Es kann diefes Jedoch kein
Tadel fein. Dafs das eklektifche Streben, die Vorzüge aller Richtungen zu
verbinden, nur zu kalten, unerquicklichen Schöpfungen führt, lehren alle Zeiträume
der Kunftgefchichte. Gerade weil die holländifche Kunft in ihrer Eigenheit
bleibt, leiPcet fie in diefer ein Höchites.
Einen wefentlichen Theil ihres höchiten und eigenartigften Reizes verdankt Behgäilung
die holländifche Malerei ihrer Behandlung des Lichtes, des atmofphäflfchefn d" Lichmß
Lebens, der teclinifch als aHelldunkelr bezeichneten Uebergänge vom Llcht m
den Schatten. Die Holländer zeigen {ich auch auf diefem Gebiete als Iechte
Realiften, als treue Beobachter ihrer eigenen Natur, ihres einheiniifchen Lichtes.
Der holländifche Himmel ift äufserft felten fo klar und durchfichtig: W16 er {Ph
über füdlichere oder weiter vom Meere entfernt gelegene Länder wölbt Dle