Volltext: Die Malerei von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. 3, Hälfte 2)

548 
Sechstes 
Buch. 
Abtheilung 
Zweiter 
Abfchnitt. 
trieb feines Volkes doch fo fern, dafs er nicht nur zur katholifchen Kirche 
zurückkehrte, fondern auch feinen Sympathien für die ehemalige fpanifche Herr- 
fchaft unverblümt Ausdruck lieh l)! Dafür gelang der holländifchen Dichtkunft 
damals manches ureigene, frifche und zugleich harmonifch durchgebildete Lied; 
hongfläfche und dem holländifchen Lufifpiel, wie es durch Gßrür. Adr. Brcderoo (1585-4618) 
 und feinen Zeitgenoffen Dr. Sam. Coßer ausgebildet wurde, fehlt es ficher nicht 
und Cßßer- an urwüchfiger, national-holländifcher, oft derber Kraft und an überfprudelndem 
Humor. Aber fo keck aus dem Leben gegriffene Geftalten und Vorgänge 
diefe Dichter uns auch vorführen, ihren Werken fehlt die Selbftändigkeit und die 
Abrundung. Sie flnd uns als treue Spiegelbilder des hollandifchen Volkslebens 
jener Tage wichtiger zur Erläuterung der gleichzeitigen Sittenmalerei, als dafs 
fie uns, trotz ihrer köftlichen Einzelheiten, im Ganzen zu entzücken vermöchten. 
houäfifche Auch auf dem Gebiete der bildenden Künfte waren die Holländer 
Bücherei keineswegs in allen Beziehungen gleich begabt. Von einer felbftändigen hol- 
ländifchen Bildnerei höherer Art z. B. kann trotz der geiftvollen, aber fiets 
halb architektonifchen Leifiungen des grofsen Architekten und Bildhauers 
dgffäfflgn Hendrilz de Keyfer (I565- 1621) kaum die Rede fein. Als die Amfterdamer 
nach dem Abfchluffe des Friedens mit Spanien 1648 ihr ftattliches, weit- 
räumiges Rathhaus als thatfachliche Behaufung, aber auch als glänzendes Sinn- 
bild der holländifchen Freiheit Lmd Grofsmachtfiellung zu bauen begannen, 
honäigifche mufsten fie Arth. Quellinus aus Antwerpen berufen, um es im Inneren mit 
Baukvnß- feinem reichen Bildhauerfchmucke auszuftatten. Das Gebäude felbft rührte 
läljgpgf allerdings von einem einheimifchen Baumeifter, von fYak. zum Kanzpevz (geft. 
1657) her; und an tüchtigen und eigenartigen Baumeifiern fehlte es den 
Holländern im I7. Jahrhundert überhaupt nicht. Nur ift gerade Jak. van Kampens 
Rathhaus in feinem nüchternen Klafficismus wieder ein Beifpiel jener unhol- 
ländifchen, conventionellen Richtung, die, wie gefagt, auf allen Gebieten der 
holländifchen Cultur mit dem felbftandigen nationalen Zug im Streite lag. Will 
 man {ich überzeugen, wie eigenartig Bedeutendes die holländifche Hoch- 
 Scä:2ht_ renaiffancearchitektur um 1600 zu leiften verftand, fo betrachte man das 
Eäsrlzfnf Schlachthaus zu Haarlem 2) und die von ihm beeinflufsten Privatbauten. Gerade 
gfllmfgäiggia: in der Wohnhausbaukunft leifteten die Holländer noch das ganze I7. Jahrhun- 
 dert hindurch Tüchtiges und Selbftändiges. Wenn auch die firengen nordifchen 
Renaiffance-Zierformen der Haufteineinfaffungen bald barockeren Einzelbildungen 
Platz machten, die nicht immer harmonifch waren, fo blieb die fchmal und 
hochauffirebende Grundform des Giebelbaues und blieb die Kunfiform des 
Backfieinbaues mit Umrahmungen, Gliederungen und plaftifchen Zierrathen aus 
Sandftein doch beftehen. Diefe Formen entfprangen mit Nothwendigkeit aus 
den holländifchen Bodenverhaltniffen, welche einerfeits wegen der Koftfpielig- 
keit der Pfahlunterbauten, ohne Welche der unterwäfferte Boden kein Steinhaus 
getragen hätte, keine Ausdehnung in die Breite gefiatteten, andererfeits wegen 
der Ferne von Steinbrüchen die Bauherren auf die hauptfachliche Verwendung 
des heimifchen Ziegelmaterials und auf die Befchränkung des Haufteins zur 
Gefchichte 
l) Y. A. Yanrlebloel, 
199-200. 
2) Näheres bei Gearg 
der niederländifchen Literatur, 
Deutfche 
Ausgabe, 
Leipzig I 372, 
Gallzznd  
Renaiffance 
Holland. 
Berlin 
I 882,
	        
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