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Buch.
Sechstes
Abtheiluug.
Zweiter Abfchnitt.
Fifgfm gebung aus unzähligen feiner Werke auch fpricht, ganz dem zugewandt, was
geblmg- ihm die Hauptfache war, in Nebenfachen die zeichnerifche Richtigkeit der Ver-
hältniffe nicht immer mit ängftlicher Genauigkeit oder hält es, nachdem er die
künfilerifche Wirkung erzielt, die ihm am Herzen lag, nicht mehr für der Mühe
werth oder nicht einmal für angebracht, an folchen Nebenfachen die nach-
beffernde Feile anzulegen; daher bringt er, auf der höchfien Höhe feiner eigen-
artigen Entwicklung angelangt, die Farben, manchmal fogar des Spartels fiatt
des Pinfels {ich bedienend, fo körperhaft dick auf die Fläche der Leinwand,
Seiaztlljggf" dafs von felbft jeder Reft einer zeichnerifchen Technik verfchwindet und die
malerifche Oelfarbentechnik uneingefchränkt in ihre Rechte tritt.
Aus Rembrandts Werken leuchtet uns eine weite, reiche, wunderbar
Stoggigien realiflifche und zugleich von wunderbarem Licht- und F arbenidealismus durch-
glühte Kunftwelt entgegen: eine Fülle kräftiger Einzelgelialten, erfüllt vom
frifcheften Eigenleben, umfpielt von feinfter Licht- und Schattenwirkung, die
manchmal nur das natürliche Helldunkel eines durch ein Fenfter erleuchteten
Raumes wiedergiebt, manchmal aber auch, um befondere geifiige Stimmungen
zu erzielen, durch die künftlerifche Einbildungskraft gefteigert erfcheint; eine
Fülle von mehr oder minder figurenreichen, der biblifchen Gefchichte oder dem
täglichen Leben, feltener der Weltgefchichte, der Mythologie oder gar dem
linnbildlichen Vorfiellungskreife entlehnter Darftellungen, ftets von neuer, felbfi-
erfundener Anordnung, ftets von packender, lebendiger, zu unferem Geifte und
zu unferem Gemüthe fprechender Auffaffung, ftets von einem Zauber der
Farbengluth und des Lichtes umfloffen, welche uns, fo unverfchönert aus dem
Volke gegriffen die einzelnen Gefialten uns entgegentreten, wie mit Flügeln
der Morgenröthe dem Alltagsfiaub entreifst und zu nur geahnten, höheren,
geiftigeren Welten emporträgt; dazu eine Fülle der köftlichften Landfchaften:
an fich fchlicht und wahr beobachtete Abbilder heimifcher oder benachbarter
nordifcher Gegenden, die jedoch durch die geiftvolle Betonung der atmofpharifchen
Stimmungen wie befeelte Wefen zu unferer Seele fprechen und durch jene
Magie des Lichtes und der Farbe, die Rembrandt aus feinem eigenften Innern
hinzuthat, uns wie ferne Wunderländer erfcheinen.
Raäi31';en_ Aber Rembrandt befchränkte fxch nicht auf die Oelmalerei. Seine künfile-
rifche Einficht zeigt er auch darin, dafs er, der fo gut wie Dürer das Bedürfnifs
fühlte, nicht immer nur zu den Wenigen zu fprechen, welche feine Oelgemälde
zu Gelicht bekamen, aber fo Wenig wie Dürer in der Lage war, diefem Be-
dürfnifs durch die Schöpfung öffentlicher monumentaler Gemälde nach Art
derjenigen der Wandflächenfrohen Italiener zu genügen, flch wie Dürer, ja,
hierin von Dürer felbfi, doch auch von feinem grofsen engeren Landsmann
Lucas von Leyden befiimmt, neben der Oelmalerei mit grofser Kraft und Leiden-
fchaft auf die vervielfältigende Kunft warf, deren Blätter feinen Ruhm zu
Taufenden von Haus zu Haus trugen. Rembrandts Radirungen nehmen in ihrer
Art kein minder grofses künfilerifches und kunügefchichtliches Intereffe in An-
fpruch, als feine Gemälde; und auch ihrer Anzahl nach ftehen fle den letzteren,
fo viele feine Blätter auch durch die Kritik der letzten Jahre als wnechtr oder
als ißSchülerarbeitem befeitigt worden lind, doch immer noch annähernd gleich-
Aäfääiäliler berechtigt zur Seite. Die Zahl feiner bekannten erhaltenen, unzweifelhaft echten
Sein Farben-
auf trag.
Sein
Stoßgebiet.