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Sechstes Buch.
Abtheilung.
Zweiter
Abfchnitt.
in früheren Zeiten die kunftvoll, aber zugleich fiets natürlich zufammenge-
i" Londßn- fchweifsten Landfchaften feiner Einbildungskraft. Die Jahreszahl 1673 trägt
die hochpoetifche Ruinenlandfchaft in der Londoner National Gallery. Als
äfllgjrfääätf Hauptbilder feinertletzten Zeit in der Ermitage zu St. Petersburg, in welcher
Pewßburg- man feine Entwickelung alles in allem am beften verfolgen kann, feien auch
noch das grofse Waldbild mit den abendlich goldgelb beleuchteten Wolken,
vor allen Dingen aber die grofse ftille, tief ergreifend fchwermüthig geftimmte
Berglandfchaft mit dem dunklen See am Fufs des die Wolken überragenden
Gebirges genannt.
Einer befonderen Beliebtheit erfreuen {ich ferner, um noch auf einige andere
EM"- Gegeilftände aus dem Stoffgebiet des Meifters zu kommen, die fchlichten Dünen-
und Bleichen-Bilder aus der Umgebung Haarlems, welche natürlich in feiner
früheren, feiner Haarlemer Zeit entfianden find." Hierher gehören zwei Bilder
im Berliner Mufeum, welche den Fernblick von den Dünen bei Overveen auf
Haarlem zeigen, fowie ähnliche Bilder im Amfterdamer Reichsmufeum, im
Haager Mufeum, im Dulwich College bei London und eine kleine Flachland-
fchaft in der Dresdener Galerie. Wohl fchon der Amfierdamer Zeit gehört
Seiäiglfke das Kornfeld am Zuyderfee im Rotterdamer Mufeum an. Eigentliche Seefiücke
i" Berlin- feiner Hand find fehr felten. Doch befitzt z. B. das Berliner Mufeum, deffen
Bilder Ruisdaels {ich überhaupt durch ihre felteneren Vorwürfe auszeichnen,
ihrer zwei, von denen befonders das Bild, welches die graue, bewegte See
mit dem rothen, beleuchteten Segel bei auffteigendem Wetter darflellt, von
in Parisdüfter unheimlichem Reize ift. Auch im Louvre zu Paris und im Brüffeler
in ßrürrerMufeum befinden fich tüchtige Seeftücke feiner Hand; und bei Lord North-
n London- brook in London fah der Verfaffer eine F lufslandfchaft, welche den Charakter
,inä:i1l1:nd_ eines Seeftücks hat. Auch Winterlandfchaften hat Ruisdael nur felten gemalt.
Fchafren- Genannt feien die Winterbilder im Amfierdamer Reichsmufeum, in der Galerie
Arenberg zu Brüffel, im Berliner Mufeum und im Städteffchen Infiitut zu
_cf1ftiäftur_ Frankfurt a. M. Städtifche Anfichten von Ruisdaefs Hand gehören zu den
bildet allergröfsten Seltenheiten; doch befitzt das Berliner Mufeum die malerifch
mßijdam, aufgefafste, feine, kühle Anflcht des Damplatzes zu Amfterdam mit der alten
0ni3dam_ Stadtwaage, das Rotterdamer Mufeum eine Anficht des Fifchmarktes zu
211'333" Amfterdam. Seiner Lichtwirkung wegen gehört dagegen eins der fechs be-
Wallm- zeichneten Bilder feiner Hand, welche Sir Richard Wallace im Hertford Houfe
zu London befitzt, zu den gröfsten Seltenheiten. Ruisdael hat {ich hier an
das Claude Lorrain geläufige Problem gewagt, die Sonnenfcheibe felbft darzu-
Pcellen. Matt leuchtend fteht fie am Horizonte hinter einer Schafweide am
Waldrand und beleuchtet den gerade bildeinwärts führenden Weg. Die
hägfpfgne Wafferfalle, welche Ruisdael gemalt, laffen {ich kaum zählen. Sie bilden neben
den Waldbildern den gröfsten Beflandtheil feiner Werke. Oft braufen fie
durch deutfche Eichenhügel, oft durch Hnftere nordifche Tannenwälder, oft
fchäumen fie, Blöcke mit fxch führend, an {teilen Felswänden entlang. Glatte,
einzelne Wafferflürze aber find es nie, in der Regel vielmehr breite, malerifche,
firudelartige Fälle, wie die von Everdingen, eher an die Trolhätta-Fälle in
Schweden, als an die donnernden norwegifchen Wafferfalle, wie den Vöring-
Voss, erinnernd. Manchmal thront ein Schlofs hoch über ihnen auf den