Volltext: Die Malerei von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. 3, Hälfte 2)

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Sechstes 
Buch. 
II. Abtheilung. 
Zweiter Abfchnitt, 
fchaftlichen Natur, der Verbindung von Erdreich, Waffer, Bäumen  und Luft 
und Licht, dafs fle uns ftets unmittelbar packend und naturwahr entgegen- 
treten, und dafs die Uebergänge zwifchen feinen offenkundig wirklichen Gegen- 
den entlehnten Landfchaften und feinen der Künftlerphantafie entfprungenen 
Bildern fo kunftvoll verwifcht find, dafs die Grenzen kaum zu ziehen find und 
nur die an den Endpunkten beider Gattungen ftehenden Bilder wirkliche 
Rejf5ifnuS_ Gegenfeitze bilden. Gewifs ifi auch Ruisdael durch und durch Haarlemer Realift. 
 Die Bäume, welche feine Lieblinge waren, hat keiner vor ihm auch nur an- 
nähernd fo lebenswahr aufgefafst und fo naturgetreu mit ängftlicher Vermei- 
dung jedes conventionellen vBaumfchlagsr wiedergegeben wie er. Sein Baum- 
laub, feine Baumftämme, feine entblätterten AePce fehen in Formen und Farben 
fo aus, wie fie unter dem Einliuffe der nordifchen Atmofphäre und der nor- 
difchen Jahreszeiten in Wirklichkeit erfcheinen. Sie treten uns, obgleich iie 
oder weil fie mit rein malerifchen Mitteln auf die Fläche gebannt iind, doch 
in plafiifcher Rundung und Fülle, in faftiger, tiefer, fatter Färbung entgegen. 
Erfbe;'äen_ Nicht minder naturwahr geftaltet er das Erdreich mit feinen Felfen, feinen 
Sanddünen, feinen Wegen. Sein Auge geht jeder zufälligen Linie, jeder Ton- 
abfiufung nach; und willig folgt fein Pinfel feinem Auge. Und wie mit 
Sein Waffen dem Erdreich und mit den Bäumen, fo hält er es auch mit dem Waffer, 
deffen fiillen grauen Glanz und deffen hellen Schaum er meifterhaft wieder- 
zugeben verfteht; vor allen Dingen aber mit der Luft. Auch in der Wieder- 
Seine Luft. gabe der Luft ift er zunächPt ein erfiaunlicher Realift; wohl niemals, weil es 
für die nordifche Natur nicht charakteriliifch ift, hat er einen ganz blauen 
Himmel gemalt; wie er aber die grauen, weifsgerändeten Wolken in ihrem 
leichten, luftigen Weben beobachtet, wie er {ie {ich zu Sturm- und Gewitter- 
wolken ballen fieht, wie er hier und da ein Stück fein hellblauen Himmels oder 
gar wirkliche helle Sonnenfirahlen das Wolkengrau durchbrechen und an den 
Stämmen des Waldes fpielen oder weite Stellen der Ebene beleuchten läfst, 
 wie er die Luft im Vordergrunde kühl durchfichtig fpielen zu laffen, im Hinter- 
grunde aber die Höhen manchmal in ein tiefes, fattes Ferneblau zu kleiden 
 weifs, alles das ift fo natürlich, fo wahr, fo realiftifch wie möglich; und doch 
zeigt er {ich auch bei den einfachften Darftellungen diefer Art durch die Fein- 
heit der malerifchen Anordnung und Abtönung und durch die bewufste Ver- 
einigung aller diefer Elemente zur Erzeugung der feelifchen Stimmungen, welche 
meift ernft, fchwermüthig, weltfchmerzlich find, wie fein Leben fie in ihm Wach- 
Dilqeägiüe rief, immer zugleich als der Künfiler in höherem, geiftigerem Sinne. Es ruht 
Auffaffuna- ein poetifcher Zauber auf feinen, wenn nicht immer im Ganzen, fo doch ftets 
im Einzelnen realiftifch durchgeführten Landfchaften, wie auf den Bildern keines 
zweiten Landfchaftsmalers der Welt I); und in einzelnen feiner auch ihrer Grund- 
lage nach phantafiifchen Bilder erreicht er eine Höhe und Tiefe der Natur- 
poefle, wie fie auch kein Dichter je in Verfe gefafst hat. Seine grofsartigfie 
Leifiung diefer Art auf dem gefammten Gebiete der Landfchaftsmalerei ift fein 
Sijfcgägff" ijudenkirchhofe in der Dresdener Galerie. Ihn zu zergliedern, iPc lehrreich für 
dringend genug empfohlen 
1) Allen Freunden des Meifters kann nicht 
nRuisdael als DiChfCIu immer wieder zu lefen. 
werden, 
Auffatz 
G oetheÄv
	        
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