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Sechstes
Buch.
II. Abtheilung.
Zweiter Abfchnitt,
fchaftlichen Natur, der Verbindung von Erdreich, Waffer, Bäumen und Luft
und Licht, dafs fle uns ftets unmittelbar packend und naturwahr entgegen-
treten, und dafs die Uebergänge zwifchen feinen offenkundig wirklichen Gegen-
den entlehnten Landfchaften und feinen der Künftlerphantafie entfprungenen
Bildern fo kunftvoll verwifcht find, dafs die Grenzen kaum zu ziehen find und
nur die an den Endpunkten beider Gattungen ftehenden Bilder wirkliche
Rejf5ifnuS_ Gegenfeitze bilden. Gewifs ifi auch Ruisdael durch und durch Haarlemer Realift.
Die Bäume, welche feine Lieblinge waren, hat keiner vor ihm auch nur an-
nähernd fo lebenswahr aufgefafst und fo naturgetreu mit ängftlicher Vermei-
dung jedes conventionellen vBaumfchlagsr wiedergegeben wie er. Sein Baum-
laub, feine Baumftämme, feine entblätterten AePce fehen in Formen und Farben
fo aus, wie fie unter dem Einliuffe der nordifchen Atmofphäre und der nor-
difchen Jahreszeiten in Wirklichkeit erfcheinen. Sie treten uns, obgleich iie
oder weil fie mit rein malerifchen Mitteln auf die Fläche gebannt iind, doch
in plafiifcher Rundung und Fülle, in faftiger, tiefer, fatter Färbung entgegen.
Erfbe;'äen_ Nicht minder naturwahr geftaltet er das Erdreich mit feinen Felfen, feinen
Sanddünen, feinen Wegen. Sein Auge geht jeder zufälligen Linie, jeder Ton-
abfiufung nach; und willig folgt fein Pinfel feinem Auge. Und wie mit
Sein Waffen dem Erdreich und mit den Bäumen, fo hält er es auch mit dem Waffer,
deffen fiillen grauen Glanz und deffen hellen Schaum er meifterhaft wieder-
zugeben verfteht; vor allen Dingen aber mit der Luft. Auch in der Wieder-
Seine Luft. gabe der Luft ift er zunächPt ein erfiaunlicher Realift; wohl niemals, weil es
für die nordifche Natur nicht charakteriliifch ift, hat er einen ganz blauen
Himmel gemalt; wie er aber die grauen, weifsgerändeten Wolken in ihrem
leichten, luftigen Weben beobachtet, wie er {ie {ich zu Sturm- und Gewitter-
wolken ballen fieht, wie er hier und da ein Stück fein hellblauen Himmels oder
gar wirkliche helle Sonnenfirahlen das Wolkengrau durchbrechen und an den
Stämmen des Waldes fpielen oder weite Stellen der Ebene beleuchten läfst,
wie er die Luft im Vordergrunde kühl durchfichtig fpielen zu laffen, im Hinter-
grunde aber die Höhen manchmal in ein tiefes, fattes Ferneblau zu kleiden
weifs, alles das ift fo natürlich, fo wahr, fo realiftifch wie möglich; und doch
zeigt er {ich auch bei den einfachften Darftellungen diefer Art durch die Fein-
heit der malerifchen Anordnung und Abtönung und durch die bewufste Ver-
einigung aller diefer Elemente zur Erzeugung der feelifchen Stimmungen, welche
meift ernft, fchwermüthig, weltfchmerzlich find, wie fein Leben fie in ihm Wach-
Dilqeägiüe rief, immer zugleich als der Künfiler in höherem, geiftigerem Sinne. Es ruht
Auffaffuna- ein poetifcher Zauber auf feinen, wenn nicht immer im Ganzen, fo doch ftets
im Einzelnen realiftifch durchgeführten Landfchaften, wie auf den Bildern keines
zweiten Landfchaftsmalers der Welt I); und in einzelnen feiner auch ihrer Grund-
lage nach phantafiifchen Bilder erreicht er eine Höhe und Tiefe der Natur-
poefle, wie fie auch kein Dichter je in Verfe gefafst hat. Seine grofsartigfie
Leifiung diefer Art auf dem gefammten Gebiete der Landfchaftsmalerei ift fein
Sijfcgägff" ijudenkirchhofe in der Dresdener Galerie. Ihn zu zergliedern, iPc lehrreich für
dringend genug empfohlen
1) Allen Freunden des Meifters kann nicht
nRuisdael als DiChfCIu immer wieder zu lefen.
werden,
Auffatz
G oetheÄv