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Buch.
Sechstes
Abtheilung.
Abfchnitt.
Erfler
ift fchon gefagt worden; gar nicht felten macht er auch abflchtlich Zerrbilder
aus ihnen; aber die Grundlage feiner Auffaffung bildet {tets eine grofse Gabe
gefunder und natürlicher Charakteriftik, verbunden mit einem kräftigen, aber
harmlofen Humor, der dem Häfslichen feine komifche Seite abzugewinnen
verfteht. Seine eigentlichen Lieblingsgegenftände {ind Rauffcenen in Trink-
Pcuben. Die Raufereien {ind in der Regel beim Kartenfpiel oder beim Würfeln
entftanden; manchmal geht es aber auch ruhiger bei diefem Treiben zu, und
dann wird das Würfeln und Kartenfpielen oder das Kneipen und Rauchen
zur Haupthandlung der Darfiellung; ferner bevorzugte er Scenen aus den Bader-
fiuben: ein fchlichter Wundarzt unterfucht die Fufswunde feines Kranken, er
verbindet einem folchen den Arm, er {ticht ihm ein Gefchwür am Rücken,
oder ein Zahnarzt greift feinem {ich vor Schmerzen krümmenden Kunden in
den Mund. Nennen wir fchliefslich noch Mufiker, Sänger, Geiger, Mandolinen-
fpieler, Flötenbläfer fchlichter Art, die ganz verfunken {incl in ihre KunPc, fo
haben wir das flttenbildliche Stoffgebiet des Meiflers, in dem weibliche Wefen
fehr fparfam gefät {ind und nur eine untergeordnete Rolle fpielen, fchon ziemlich
vollfländig begrenzt. Brouwer war eben felbft ein witziger, luftiger Junggefelle,
der fich, abgefeheu von feiner Kunft, mit der er es fehr ernfi nahm, im Kneipen-
leben am wohlflen fühlte; und er hatte auch künftlerifch keinen anderen Ehr-
geiz, als die Geftalten und Vorgänge, die er täglich vor Augen fah, fo lebendig
und reizvoll wie möglich wiederzugeben.
Sei" Lehm Geboren ift Adriaen Brouwer um 1606 in Flandern, wie es fcheint in
Oudenaerde. Seine Lehrzeit hat er wahrfcheinlich in Haarlem unter Frans
Hals, den wir erfl: fpäter kennen lernen werden, durchgemacht. Sicher ver-
folgen können wir ihn aber nur während der letzten {ieben Jahre feines kurzen
Lebens; und während diefer lebte und malte er in Antwerpen. Im Winter
1631-32 wurde er hier als Meifter in die Lucasgilde aufgenommen; 1633 fafs
er, wahrfcheinlich aus politifchen Urfachen, gefangen in der Antwerpener VePre;
1634 gab er {ich zu dem berühmten Kupferflecher Paul Pontius (oben S. 440)
in Koft und Wohnung; wegen feiner Schulden kam er wiederholt mit den
Behörden in Berührung, zuletzt 1635; feit diefem Jahre wird er als Mitglied
der literarifchen Antwerpener Gefellfchaft xde Rederykerskamern genannt, an
deren Feftmahlen wenigflens er fich betheiligte; Anfang 1638 fchon {tarb er,
wahrfcheinlich an der Pefi; am I. Februar diefes Iahres erhielt er fang- und
klanglos ein ärmliches Begräbnifs auf dem Karmeliterkirchhofe; fpäter wurde
feine Leiche auf Betreiben feiner Freunde und unter {iarker Theilnahme der
Antwerpener Kunflwelt in der Karmeliterkirche beigefetzt.
Seineßilder- Brouwer ift alfo nur 32 Jahre alt geworden, und feine felbfländige künft-
lerifche Thätigkeit umfafst höchftens ein Jahrzehnt. Für diefe kurze Zeit hat
er eine ziemlich beträchtliche Anzahl von Bildern hinterlaffen, doch wohl nicht
mehr als 50 im Ganzen, von denen {ich 18 allein in der Münchener Pinakothek
befinden. Bei aller ihrer Aehnlichkeit unter einander laffen {ich doch, ihrer
Behandlungsweife nach, verfchiedene Gruppen in ihnen unterfcheiden, die auf
erhebliche Wandlungen des raftlos nach technifcher Meifterfchaft ringenden
Künftlers fchliefsen laffen. Da er feine Bilder nicht zu datiren pflegte, fo läfst
{ich die Reihenfolge diefer Wandlungen {jedoch nur aus inneren Gründen