414
Buch.
Sechstes
Abtheilung.
Erfier
Abfchnitt.
fie für das Bild zahlten; ja, in einigen Zeiten feines Lebens war er durch
andere Verpflichtungen. fo in Anfpruch genommen, dafs er flCh begnügte, feine
Schüler nach feinen Skizzen die beftellten Bilder beginnen und vollenden zu
laffen; und für gewiffe Beflellungen, die ihm weniger zufagten, fowie für Wieder-
holungen fcheute er {ich von Anfang an nicht, flch diefer mehr fabrikmäfsigen
Herftellungsweife zu bedienen. Gleich-wohl gingen diefe Bilder als Werke des
Rubens, bei ihm beftellt, durch ihn abgeliefert, aus feiner Werkftatt hervor.
Siläfffiäf- Wir dürfen uns daher nicht wundern, wenn folche immerhin beglaubigter
äfgßgiirfgr Mafsen rechtem Bilder unter flch von dem verfchiedenften Werthe lind und
oft auch nicht die geringfie Vorftellung von des Meifters eigenem Können geben.
Auch Rubens felbft durfte fich kaum beklagen, wenn feine Kunfl verkannt
wurde. Die Pflicht der Wiffenfchaft aber ift es doch, die eigenhändigen Bilder
vom Werkftattsgut und von den Schulwiederholungen zu fondern. Eine leichte
Aufgabe ift das natürlich nicht; aber des Meifiers wirklich eigenhändige oder
doch ganz eigenhändig übergangene Werke ftehen fo hoch über den anderen,
dafs fich die Kenner in den meiften Fallen bereits über fie geeinigt haben.
In manchen Fällen fchliefst der Name der urkundlich beglaubigten Befieller,
in einigen fogar des Meifters eigenes fchriftliches Zeugnifs auch von vornherein
die Theilnahme von Schülerhänden aus.
kfrfgcllfzjjljrgr Von der gewaltigen Anzahl der Rubensfchen Bilder können im Folgenden
imswahl- natürlich nur verhältnifsmäfsig wenige befprochen werden; und felbflverfiändlich
werden hierfür nur folche gewählt werden, die entweder ganz eigenhändig
ausgeführt oder doch fo charakteriflifch für ihn find, dafs eine Betheiligung von
Schülerhänden, befonders in der Untermalung, in der Landfchaft oder in den
Thieren ihre Bedeutung nicht wefentlich zu beeinträchtigen vermag. Es würde
zu weit führen, im Rahmen diefes Buches die Grenzen diefer Schülerbetheiligung
in jedem Falle fefi zu ftellen.
llääggiärä: Verfuchen wir alfo, uns den künftlerifchen Entwicklungsgäng des Meifters
allgemeinen, durch feine Gemälde im Anfchlufs an feine Lebensgefchichte zu vergegen-
wärtigen, fo müffen wir uns im Voraus noch daran erinnern, dafs Rubens
nicht nur auf dem Gebiete der eigentlichen Malerei, fondern auch in ver-
wandten Kuniifachern bedeutendes geleiftet hat, dafs er ferner nicht nur ein
Seliger, grofser Künftler, fondern auch ein Gelehrter von umfaffendem Wiffen 1) war,
und dafs die Weltgefchichte, wenn fie auch nichts von den künftlerifchen Grofs-
thaten des Peter Paul Rubens wüfste, {ich doch immer noch mit ihm in feiner
alsmifjftEigenfchaft als Staatsmann und Diplomaten befchäftigen würde. Viel- und
allfeitige grofse KünPcler hatte es fchon vor Rubens gegeben; aber er ift wohl
der erfte und ift der einzige grofse Künftler geblieben, der zugleich imeigent-
lichen Staatsdienft als Diplomat eine Rolle gefpielt hat. Doch kann die Ge-
fchichte der Malerei auf diefe Seiten feiner Thätigkeit natürlich nicht näher
eingehen.
Hliflfsää Rubens entftammte einer angefehenen und vermögenden Antwerpener
Familie. Seine Eltern hatten in den {iebziger und achtziger Jahren des I6. Jahr-
und
1) Ueber Rubens als
die Antike, Jena 1882.
Alterthumsforfcher vgl.
S. 17-35.
Friedß:
Ravensburg
Gaeler von
Freiherr
Rubens