Volltext: Die Malerei von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. 3, Hälfte 1)

Die 
Meißen 
italienifchen 
Ualerei 
venezianifchen 
G ebie tes. 
als Vorläufer der Canaletti er-fcheinen läfst. Endlich ift er der eigentliche Por- 
trätiPt der Familie; und feine Bildniffe zeichnen fich durch eine vornehmere 
Haltung vor denen feines Vaters und feines Bruders aus; zugleich erfreuen fie 
durch die fchlichte Wahrheit ihrer Behandlung, wenngleich fie, mit denen Tin- 
torettols und Paolo Veronefes verglichen, doch trocken im Vortrag und leer 
in der Modellirung erfcheinen. Die Dresdner Galerie befitzt nicht weniger als 
drei Bildniffe, die er mit feiner Namensinfchrift verfehen hat. 
Das venezianifche Feftland kann fich aber auch rühmen, der Lagunenfladt Vi2gläe_ 
den grofsen Meifier zugeführt zu haben, welcher überhaupt der gröfste Maler 
der zweiten Hälfte des I6. Jahrhunderts ift: Paula Czzlzkzril) von Verona, Clöll 
als Paula VE-"rmzefe gefeierten Meifter, welcher 1528i) als Sohn des Bildhauers 
Gabriele Caliari geboren war, feinen Unterricht bei Antonio ßazizils (Bd. ll, Eäjjfdg 
S. 783) empfing, aber durch die übrigen veronefifchen Meiller, wie den freilich 11'11gSs-"11ß' 
bereits verftorbenen grofsen Cavazzola (Bd. I1, S. 331) und wie Brufaforci 
(Bd. II, S. 783) fo mächtig beeixiflufst wurde, dafs er uns in feinen vor jeder  
Berührung mit der venezianifchen Kunft gefchaffenen Jugendwerken, zu denen uijäifelllf; 
die Madonnen der Pinakothek von Verona, die ebendafelbPt bewahrten, a 
auf Leinwand übertragenen Rette der Fresken der Cafa Contarini (um 1550), 
die NVandbilder der Villa Soranza (15 51), deren Ueberbleibfel in Oberitalien  
und England zerftreut worden, und die noch heute erhaltenen Fresken der 
Villa Fanzolo (vormals Emo) bei Caftelfranco gehören, als ein durch und durch  
veronefifcher Meifter entgegentritt, ein Meifter von welentlich nationaler Eigenart 
der Formenfprache und kühler, gedämpft bunter Harmonie der Farbenmufik. 
Doch hatte er fich gerade in den genannten hiftorifchen, niythologifchen und 
allegorifchen Fresken, die er mit feinem Freunde Gimlzluzflgßzz Zzßlotlfgemeinfain Äfiäjgäj 
gefchaffen, durch die Reinheit und Freiheit feiner Formenbildtlng, auf welche 
die ihm bekannt gewordenen Werke der Schule Raphaels doch keineswegs 
ohne Einflufs geblieben, über alle feine älteren Landsleute emporgefchwungen. 
Sein Ruhm verbreitete fich fo rafch, dafs er 1555, alfo in feinem fieben- oder Vgäflfflflf; 
achtundzwanzigflen Lebensjahre, nach Venedig berufen wurde, um dort zunächft Väjggig 
die Deckenbilder der Sakriilei von S. Sebaftiano zu malen. Das leuchtende 
Farbengefühl Tizian's ergriff ihn hier mächtig; aber er war bereits zu felbftändig 
entwickelt, urn flch irre machen zu laffen; er ftellte fein erhöhtes Schönheits-  
gefühl und feine gefieigerte Farbenluft in den Dienft feiner eigenen, Vveronefifchen 
Grundauffaffung und erhob fo den Stil feiner Vaterftadt zu eigenartiger, klaf-  
fifcher Vollendung. In Paolds reifem Stile erkennt man überall die altemruhig in reifäjgtih 
fich befchloffene venezianifche wExiftenzmalereia, welche es, felbß WO flö Cflählt, 
für ihre Hauptaufgabe hält, die einzelnen, vom höchften Lebensgefühl getragenen 
Gefialten in harmonifchem Gleichgewicht zur Anfchauung Zu bringen Zuglelch 
aber tritt das decorative Princip mit feiner Vertheilung der 01111811 und Farben 
nach den Gefetzen grofsartiger, frei und leicht bewegter  1118111315 7111611361" und 
Ptarrer Monumentalitat, den Bedürfniffen der Wand- und DeCkßlllnülerei ent- 
1) Mzfari (Milanefl) VI, p. 369_374.  Bewiascozzi, Studj etc. (Rom 1864) p. 3224 
H. yanitjkhele in vKunft und Künßlera.  Derfelbe: wPaolo Vemnefe als Freskenmnleru in 
Zeitfchrift XII. (1877) S. 357-373.   
2) Cäcogvzn, Infcrizioni X7eneziane, T. IV, p_. 149. 
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