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Sechstes
Buch.
Abfchnitt.
Dritter
Rafch nach einander erhielt der bald achtzigjährige Meifter alle Würden, die
Akademik" fein jüngerer Nebenbuhler befeffen. Er wurde zum vPremier peintre du fOie,
er wurde zum Director der Gobelins-Manufactur ernannt, und die Akademie,
der er Schwierigkeiten bereitet hatte, wo er konnte, mufste ihn in Folge höherer
Weifung in einer einzigen Sitzung als ihren Profeffor, Rector, Director und
Kanzler anerkennen. Fünf Jahre noch konnte er, rafllos Weiterfchaffend, diefer
Sei" Ende- fiaatlichen Ehren geniefsen. Er flarb am 30. Mai 16951).
Sjigfjiigfe" Von feinen Staffeleigemälden haben flch die meifien im Louvre zu Paris,
im Louvre- in den franzöflfchen Provinzialmufeen, im Madrider Mufeum und in der Eremi-
tage zu St. Petersburg erhalten. Im Louvre fleht man z. B. feine Madonna
mit der Traube, feine Mater Dolorofa, fein Eccehomo, feinen kreuztragenden
Chriftus, von den Bildern feines höchften Alters die hLCäcilie von 1691 (Fig. 514),
Glaube und Hoffnung von 1692 und fein letztes Bild, den hl. Lucas, wie er die
Madonna malt, von 1695; von feinen Porträts dasjenige der Maintenon, fein
Selbftbildnifs und das grofseGruppenbild der Familie des Dauphins. Unter
feinen Hiftorienbildern in der Eremitage zu St. Petersburg ift das intereffantefte
die von Edelinck und Drevet geftochene Darftellung der Familie des Darius
vor Alexander dem Grofsen, welche er ausgefprochener Mafsen malte, um das
gleiche Bild Lebruns in den Schatten zu fiellen; diefe Sammlung befltzt aber
auch das fchöne Bildnifs feiner Tochter, der Gräfin Feuquieres, mit den Attributen
imnxäaffäe' der Flora. In der Madrider Galerie befinden fich, aufser einem jugendlichen
Büiiacggfler Johannes dem Täufer in der Wüfte, nur Bildniffe feiner Hand. Die Münchener
Pinakothek rühmt fich, eine feiner vMignardem zu befitzen. Im Berliner
Mßfßum- Mufeum kann man ihn durch das fchöne Bildnifs der Maria Mancini, einer
Nichte
Cardinals
Mazarin
voh
feiner
befien
Seite
kennen
lernen.
Am
man meiften haben übrigens die franzöfifchen Bildnifsftecher feiner Zeit, Rob. Nanteuil
Bildniffßn- und Ger. Edelinck an der Spitze, dazu beigetragen, feinen Ruhm als Porträt-
maler allen Zeiten zu überliefern.
Ein tief eindringender und fcharf charakteriflrender Künfller war Pierre
Mignard Alles in Allem genommen nicht. Er blieb vielmehr an der gefälligen
Aufsenfeite der Dinge haften. Uns if": er am annehmbarften von der Seite
feiner weichen, malerifchen Pinfelführung und feiner warmen, einheitlichen Farben-
empfmdung, die in feinen Bildniffen übrigens beffer zur Geltung kommen, als
in feinen Hiftorienbildern.
5335x3113? Neben ihm ift zunächft fein intimfter Freund Charles Aßrkozgfe Dufresl-zoy
(geb. zu Paris 1611, geft. dafelbft 1665) zu nennen, fein Genoffe im Atelier
Vouets, fein unzertrennlicher Gefährte während der langen Jahre ihres gemein-
famen Aufenthaltes in Rom, nach der Rückkehr ins Vaterland fein Mitkämpfer
gegen die königliche Akademie und fein Gehilfe bei der Riefenarbeit der
Kuppelmalereien in der Kirche Val-de-Gräce. Dufresnoy war mehr Theore-
Giägfde tiker als Praktiker in der Kunft, mehr Poet als Maler. Die Louvre-Sammlung
im Lßvvre- befitzt zwar zwei Bilder feiner Hand, eine vhl. Margarethaa und xdie Najadene;
aber diefe Bilder würden feinen Namen fchwerlich auf die Nachwelt gebracht
haben. Unfterblich hat er {ich durch das poetifche Werk feines Lebens, fein
Dictionnaire
critique,
Paris
1872: