Die
franzöi
Malerei des
ifche
Jahrhunderts.
Lorrain
Claude
(eine
und
Schüler.
347
dem Landfitze Chatsworth des Duke of Devonshire befindetl). Es enthält
zweihundert getufchte, hie und da weifs gehöhte Federzeichnungen Claude's,
welche, im Gegenfatze zu den fchon befprochenen Blättern, keine Naturftudien,
fondern Entwürfe für Gemälde find. Nach Baldinucci hätte der Meifier diefe
Skizzen gegen Ende feines Lebens nach allen feinen Gemälden gemacht, um
feinen vielen Nachahmern zum Trotz der Nachwelt ein beglaubigtes Inventar
feiner echten Bilder zu hinterlaffen. Eben deshalb hat man die Sammlung
wLiber Veritatist, das vBuch der Wahrheitx genannt. Dafs er fie gegen Ende
feines Lebens wirklich felbft veranflaltet hat, geht deutlich aus verfchiedenen
Infchriften feiner Hand hervori). Schon 167 5 meinte er das Werk abzu-
fchliefsen, aber erft 1680 hat er es wirklich abgefchloffen. In der That
werden alle Hauptbilder Claudes durch diefe Entwürfe beglaubigt. Wir brauchen
jedoch nicht anzunehmen, dafs alle Blätter des Buches, von denen viele durch
Infchriften auf ihren Rückfeiten datirt und näher beftimmt werden, wirklich
erft nachträglich zu dem gedachten Zwecke von ihm angefertigt worden find.
Manche fcheinen feine eigenen Originalfkizzen zu den Bildern zu fein; und
während das Buch eine Anzahl von Blättern enthält, zu denen die Bilder nicht
aufgefunden und vielleicht auch nie ausgeführt worden find, kann es anderer-
feits keineswegs den Anfpruch auf "Vollftändigkeit erheben. Der Schlufs, dafs
ein Claude zugefchriebenes Bild unecht fein müffe, wenn es fich nicht im
Liber Veritatis verzeichnet Ende, ift nicht zuläffig. Es müfsten fonft eine Reihe Bedeutung
des Liber
allgemein als echt anerkannter Bilder, z. B. im Louvre zu Paris, in der Ere- Veritatis.
mitage zu St. Petersburg, im Mufeum zu Madrid, in der National Gallery zu
London und an anderen Orten für unecht erklärt werden, obgleich fle theils durch
des Meiflers Namensinfchrift, theils durch alte Erwerbungsurkunden, theils durch
andere Handzeichnungen des Meifters, alle aber durch feine künfllerifche Hand-
fchrift beglaubigt werden. Die Beglaubigung durch das Liber Veritatis fchützt
aufserdem natürlich nicht vor dem Verdacht, nur eine Copie zu fein; aber
Alles in Allem lehrt doch die Erfahrung, dafs die meiften anerkannten Bilder
Claude's und die meifien feiner Skizzen im Liber Veritatis einander entfprechen
und dafs der Kenner die Werke des Meifiers, an deren Echtheit er gezweifelt
hat, doch nur felten im Liber Veritatis wiederfinden wird. Es ift und bleibt
daher ein kunfthiftorifcher Schatz von höchfter Wichtigkeit.
Uebrigens gehören alle datirten Blätter diefer Sammlung ebenfalls erfl glaudefils
jener Zeit an, in welcher Claude, wie wir gefehen haben, durch eingehende
Naturfiudien befähigt worden war, Landfchaften höherer künfllerifcher Art zu maliäiäiferlien
fchaffen. Auch hierin finden wir daher eine Beftätigung unferer Anficht, dafs Roms
der Meifter erft nach feinem dreifsigften Lebensjahre auf diefe Studien hin-
gelenkt worden war und dafs er erfl jetzt fich von dem decorativen Landfchafts-
maler der bologneÜfch-römifchen Schule zu jenem grofsen, echten Künftler
erheben konnte, der uns den Odem Gottes und die Seele der ganzen Menfch-
heit aus der an fich unbefeelten Natur entgegenflrahlen läfst. Seine früheften
I) Publicirt in Facflmile-Stichen von 10, Earlauz (Nadel und Tufchlnanier) durch Yolm Boy
in London 1777. Neudruck in unferem Jahrhundert. Zweihundert Blatt in zwei Bänden, Dazu
dritter Band mit Facfxmiles nach hundert anderen Handzeichnungen Claudeß,
2) Vgl. [Ihr]: Pattifon p, 136.
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