Volltext: Die Malerei von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. 3, Hälfte 1)

Malerei 
franzöflfche 
Die 
Jahrhunderts. 
Pouffln. 
Nicolas 
321 
fammengefafst ift, an feinen Gefialten fpielen zu laffen; und der unharmonifch 
bunte Eindruck mancher feiner Bilder ift nur durch das Durchwachfen des 
Bolusgrundes, durch das Nachdunkeln der Schattenpartien, durch das Ausbleichen 
anderer Farben bedingt. Uebrigens laffen {ich gerade in feiner coloriftifchen Pägfgffmfls 
Entwicklung gewiffe Wandlungen verfolgen. Im Anfang feiner römifchen Lauf- 
bahn hat er es noch nicht ganz aufgegeben, mit den Bolognefen oder gar mit 
den Venezianern in der Pracht der Farben zu wetteifern; doch erfcheint er 
gerade dann oft bunt und unharmonifch; in feiner mittleren Zeit legt er auf  
den Glanz der Farben ein geringeres Gewicht, als auf eine warme, harmonifche 
Haltung und eine gleichmäfsigere Durchbildung des Helldunkels; in feiner 
letzten Epoche wird feine Farbe, wenigftens in feinen Figurenbildern, bald fchwer 
und trübe, bald blafs und kreidig. Auch feine Zeichnung, zumal in der Com- 
pofltion, iPc in feiner mittleren römifchen Zeit am harmonifchften und gefchlof- 
fenfien. in feiner früheren Periode oft noch etwas hart und trocken, in feiner 
letzten Zeit nüchterner und unruhiger. 
Betrachten wir endlich das Stoffgebiet, welches Pouffin fich in Rom erobert, alsPäg2EfS_ 
fo fehen wir, dafs dasfelbe im Wefentlichen ebenfalls durch feine antiquarifche mal"- 
Neigung befiimmt wird. Nur vereinzelt kommen Bildniffe, vereinzelt allegorifche 
DarPcellungen, vereinzelt auch nur Illufirationen zu italienifchen Dichtern von 
feiner Hand vor; und Sittenbilder aus dem Leben feiner Zeit hat er überhaupt 
nicht gemalt. Die überwiegende Mehrzahl feiner Darfiellungen fpielt in der eigent- 
lichen alten Zeit, fei es nun, dafs er uns die heitere Fabelwelt der Griechen 
oder die patriarchalifchen Gefchichten des alten Tefiamentes, fei es, dafs er uns 
die durch die Hiftoriker überlieferten Epifoden aus der alten griechifchen und alsllljiäi;g'iten_ 
römifchen Gefchichte bis zur Zerftörung Jerufalems durch Titus oder die durch maler- 
die Evangeliften überlieferten Gefchichten des neuen Teftamentes veranfchaulicht. 
Auch die letzteren fafst er weit mehr von ihrer archäologifch-hi{'corifchen 
als von ihrer religiösaculturellen Seite auf ; und verhältnifsmäfsig felten entlehnt 
er feine Darfiellungen der fpätern Heiligenlegende. 
Alles in Allem wirkt Pouffms Kunft weniger frifch, naiv und urfprünglich, Dlleegläffi?" 
als bewufst, abfichtlich und überlegt auf uns. Es wäre ungerecht, ihm eine  
reiche künfllerifche Phantafie abfprechen zu wollen; aber er arbeitet in der 
Regel doch mehr mit dem Verfiande, als mit der Einbildungskraft. Nichts 
charakterifirt ihn beffer, als die Antwort, die er einem Bekannten gab, der ihn 
fragte, wodurch er es fo weit gebracht habe in der Kunfi. vJe n'ai rien 
negliger, fagte Pouffin; vlch habe nichts vernachläffigtki 
Im Wefentlichen vollzog {ich diefe ganze Stilentwickelung Pouflins, von 
deffen vorrömifcher Malweife wir uns keine genaue Vorftellung machen können, 
gleich in den erlien Jahren feines Aufenthaltes in Rom. Nur darauf bedacht, 
{ich weiter zu bilden, malte er in diefen Jahren nur das Nothwendigfie, um fein 
Dafein zu friften. Erft gegen Ende der zwanziger Jahre, als er felbfl bereits  
in der Mitte feiner dreifsiger ftand, erregte er durch zwei grofse Gemälde, Rom- 
welche er für den Cardinal Barbarini fchuf, Auffehen in Rom. Das eine, welches nigälcilgs 
den Tod des Germanicus darflellte, ift leider verfchollen, doch durch Stiche von Z 2a  
Chatillon und anderen bekannt, das zweite, welches die Zerfiörung Jerufalems Jifriirgiäiiii, 
zeigte, verfchenkte der Cardinal; Pouffin mufste es reicher wiederholen; der Jemmvmem 
Gefchichte a. Malerei. 111. 21
	        
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