Volltext: Die Malerei von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. 3, Hälfte 1)

Meifter. 
italienifchen 
Malerei 
des venezianifchen 
Gebietes. 
Werken entgegentritt, vermochte die ftrengere Richtung der erften Hälfte unferes 
Jahrhunderts ihm nur Wenig Gefchmack abzugewinnen; in unferer zweiten Hälfte 
aber hat er in manchen Künftlerkreifen gerade wegen feines hervorragend 
decorativen Talentes wieder einen bedeutenden Modeeinflufs gewonnen. Wurde 
er damals unterfchätzt, fo wird er heute zuweilen überfchätzt. _V0n innen 
heraus durchgebildete Charaktere darf man in feinen Werken nicht fuchen. 
Wenngleich er zu den bedeutendften Bildnifsmalern feiner Schule gehört; nach der 
Urfache jedes einzelnen Motivs darf man bei ihm nicht fragen; aber der erftaun- 
liehen Schönheit und Grofsartigkeit feiner beften Werke, die ftets Forrnen- und 
Farben-Vifionen zugleich fmd, werden wir unfere volle Anerkennung entgegen- 
bringen.  
Da Tintoretto feine Bilder nur ausnahmsweife datirt hat und ihr Stil, ab- feaäläfßir 
gefehen von feiner frühefien Zeit, kaum einen Anhaltspunkt bietet, fo ift ihre 
Chronologie fchwer feftzufiellen; doch werden wir die meiften feiner Einzel- 
gemälde in die Zeit vor 1560 zu fetzen haben, da ihn nach diefem Jahre die 
Arbeit an zwei grofsen Cyklen, die wir kennen lernen werden, fo gut wie ganz 
in Anfpruch nahm. 
Die grofsen Fresco-Decorationen, mit welchen er am Anfang feiner Lauf- 
bahn die Aufsenwände venezianifcher Paläfte fchmückte, fmd faft fpurlos unter- 
gegangen 1). Erhalten _haben {ich aus feiner Frühzeit die beiden herrlichen, Frühßßilder- 
Tizian noch nahe fiehenden Bilder der Akademie zu Venedig, welche den 3221,55; 
Sündenfall und den Tod Abels darftellen. Etwa dem Jahre 1546 gehören dann  
die beiden gewaltigen Hochbilder im Chor der Kirche Sa. Maria dell' Orto an, 
die an fünfzehn Meter hohen Riefendaritellungen der Anbetung des goldenen 
Kalbes und des jüngften Gerichtes. Auf dem erfieren diefer Bilder ift die 
Schwierigkeit, die volkreiche Scene, die fich ihrer Natur nach in die Breite hätte 
entfalten müffen, fich in die Tiefe des Bildes und in die Höhenrichtung des 
Berges Sinai entwickeln zu laffen, doch nur halb gelöft; aber die Einzelgruppen 
fmd von hinreifsender Frifche der Beobachtung und von hoher Schönheit der 
Abrundung. Das Gemälde des jüngfien Gerichts leitet durch die compacte 
Fülle feiner wildverfchlungenen Geftalten von Michelangelds Darftellung desfelben 
Gegenftandes zu derjenigen des Rubens hinüber; aber es ift ganz von Tintorettds 
dämonifcher Eigenart erfüllt. Nicht nur die Erde, fondern auch das Meer flCh 
aufthun und feine Todten wiedergeben zu laffen, war ein genialer Gedanke; 
den Weltrichter in die äufserfte Ferne zu rücken, um Spielraum für die Maffen- 
entfaltung der Seligen und Verdammten zu gewinnen, war eine Effekthafcherei, 
welche den geiftigen Kern der Handlung ungefchickt überwucherte; die gewal- 
tigfte Licht- und Schattenwirkung zur Verdeutlichung des überirdifchen Vor- 
ganges zu verwerthen, aber war wieder ein glücklicher Griff, dHfCh den C138 
Bild wenigfiens in diefer einen Beziehung, aber auch in keiner anderen, wirklich 
einen Fortfchritt gegenüber Michelangelds gewaltigem Werke in der ÜXtinifChCn 
Kapelle bezeichnete. 
In feiner vollen Eigenheit und feinem ganzen Compofitionstalent zeigt den gäfdlxliärlägi- 
L_g Akademie. 
um die Mitte des vorigen Jahrhunderts erhaltenen Reiten bei 
T nv. 10-14. 
I) Nachbildungen von einigen 
Narie pitture etc. Venezia X760. 
Zanefti,
	        
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