Volltext: Die Malerei von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. 3, Hälfte 1)

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Sechstes 
Buch, 
Dritter Abfchnitt. 
der Kleinmeifter. Etwa feit I625, dem Jahre übrigens, in dem er {ich ver- 
heirathete, fehen wir in Folge diefer Studien und unausgefetzter Naturbeobachtung 
Neuer sm, den noch fefteren und feineren, zugleich nationaleren und nordifcheren Stil feiner 
letzten Zeit zur Geltung gelangen. Diefer Stil tritt uns jedoch keineswegs in 
Gäiigm allen feinen fpäteren Arbeiten gleich feffelnd entgegen. Seine drei grofsen, 
haißblätßer- aus verfchiedenen Platten zufammengefetzten Belagerungsfcenen (Siege de Breda, 
M. 510; Siege de la Rochelle, 511-521; Siege de l'ile, 522-532), haben 
unzweifelhaft ein gröfseres topographifches und kriegsgefchichtliches, als künft- 
lerifches Intereffe; feine Darftellungen von Tournieren und anderen Hoffesftlich- 
keiten (z. B. der xCombat ä la Barrierer, M. 490- 503) fcheinen oft nur fchnell 
und roh für's Tagesbedürfnifs angefertigt zu fein; feine religiöfen Darftellungen 
entbehren der Weihe und Wahrheit oder flnken gar, wie feine 490 Kalender- 
bilder auf I24 Platten (M. 302-42 5) zu handwerksrnäfsiger Flauheit und Leere 
herab. Manchmal erfcheinen die Geftalten folcher Darftellungen unglaublich 
manierirt, unmöglich lang, fchlank und dünn, kleinköpfig bis zur Kopflofigkeit; 
und felbft manche feiner kräftigen, wohl durchgebildeten gröfseren Figuren, wie 
die I2 Darftellungen des lothringifchen Adels (M. 673-684), haben, abgefehen 
von ihrer tüchtigen Technik, nur für die Koftümgefchichte ein hervorragendes 
 lntereffe. Wirklich feffelnd hiegegen find feine figurreichen Darftellungen aus dem 
41'; dvgilff- Volks- und Soldatenleben. Hier ift die Feinheit, mit der die zahlreichen kleinen 
daßenleben- Geftalten zu Maffen vereinigt und doch wieder jede für fich charakteriftifch 
durchgebildet find, ebenfo bewundernswerth, wie die Darftellung der Bewegungen 
und Handlungen, welche uns die Gefchichte erzählen, und der landfchaftlichen 
Gründe, in denen fie fpielen. Die Zeichnung ift von der gröfsten Freiheit und 
Genauigkeit, die Aetztechnik, welche Callot durch neue Erfindungen verbefferte, 
von der erftatinlichften Sicherheit und Schärfe, zugleich die Moral oft von ein- 
dringlicher Lebendigkeit. Hierher gehören von den biblifchen Erzählungen die 
ganz fxttenbildlich aufgefafsten elf Blätter mit der Gefchichte des verlorenen 
 Sohnes (M. 5 3-63), hierher die durch des Meifters frühfte Jugenderinnerungen 
infpirirten, grotesk-charakteriftifch aufgefafsten Zigeunerzüge  667-670), 
hierher das durch eine befondere Feinheit der Technik ausgezeichnete Blatt 
welches die verfchiedenen Todesftrafen zufammenftellt  665), hierher die 
 fechs kleinen Darftellungen aus dem Kriegsleben ßLes petitesrniseres de la guerreq 
(M. 557-563), hierher vor allen Dingen feine achtzehn gröfseren Darltellungen 
ähnlichen Inhalts, ßLes grandes miseres de la guerrex, (M. 564-581), alles in 
allem feine berühmteften und charakteriftifchften Blätter, (Fig. 501) in denen Callot 
flch nach Kinkels Ausdruck zu einem wahrhaft focialiftifchen Künftler fteigert. 
Die Wildheit und Unbarmherzigkeit des Soldatentreibens während des dreifsig- 
jährigen Krieges tritt uns in der That in keinen anderen zeitgenöffifchen 
vKunftwerken fo erfchreckend anfchaulich, in keinen aber auch fo geiftvoll künft- 
lerifch verarbeitet entgegen, wie in diefen Blättern. Befonders lebendig ift 
auch die landfchaftliche Perfpective in ihnen mit zur Geltung gebracht, wie 
 denn zahlreiche eigentliche Landfchaften und Städtebilder des Meifters von 
ßädstfjjxfeu feiner wahren und feinfühligen Beobachtung einer einfachen, fchlichten oder 
Anfwhwi- einer durch Menfchenhände zum Kunftwerk umgefchaffenen Natur Zeugnifs 
ablegen. Endlich fei noch fein phantaftifches grofses Blatt der vVerfuchung
	        
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