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Sechstes
Buch.
Abfchnitt.
Dritter
(f; Knaben im Buckingham-Palace, die alte Frau mit dem geigenden Knaben und
indggjifätxh fechs anderen Kindern in Petworth und die Darflellung der tanzenden Kinder,
in Teläxfäer- denen ein Knabe pfeift, in Lowther-Castle. Ihrem Stoffgebiet nach erinnern
die Le Nain, wie diefe Beifpiele zeigen, bald an Murillo und Velazquez in
deren Genrebildern, bald an Frans Hals, ihren grofsen holländifchen Zeitgenoffen,
bald an Valentin, ihren auf Caravaggio fufsenden franzöfifchen Landsmann; {ie
haben aber ihre Auffaffung und ihre Ausführungsweife ganz für {ich und nehmen
deshalb, zumal Iie keine Schule gebildet haben, eine eigenthümlich ifolirte
Stellung in der Gefchichte der franzöfifchen Malerei ein.
Auf ganz anderem Boden erwachfen als fle, wenngleich in einer gewiffen
Periode feines Lebens vielleicht nicht unbeeinflufst durch ihren Stil, fleht
Käfigs Yacqzzes Callot1) da, der vielfeitige, frifche und urwüchfige Lothringer, den die
Gefchichte der Malerei fich nicht nehmen laffen kann, wenngleich fein Weltruf
nicht auf Gemälden, fondern auf Radirungen und Handzeichnungen beruht.
Es ift fogar zweifelhaft, 0b er überhaupt gemalt hat. jedenfalls hat er es nicht
weit in' der Malerei gebracht; und jedenfalls flnd die zahlreichen Gemälde,
welche im Pal. Corsini zu Rom, in der Akademie zu Venedig und in vielen
anderen Sammlungen feinen Namen tragen, von fremden Händen nach feinen
Radirungen angefertigt. Schon die offenbare Verfchiedenheit diefer Hände
läfst daran keinen Zweifel. 2) Sie beweifen alfo nur, wie manche ähnliche Bilder
nach Stichen Dürers und Lucas van Leydens, Welcher Popularität flch der
Csiggfxis Stecher erfreute. Als Stecher, Radirer und Zeichner hat Callot uns aus-
Rääälrnelifld fchliefslich zu befchäftigen.
Sein Leben- Yacgzees Callaz war 1592 3) als Sohn eines adligen lothringifchen Hof-
beamten zu Nancy geboren. Zwölfjährig entfioh er, aus Sehnfucht nach dem
Lande der Kunfl, feinen Eltern, zog mit Zigeunern nach Florenz, wurde aber
nach Nancy zurückgebracht, um 1609 als angehender Künftler, jetzt mit der
äfiäzäelffrfä Erlaubnifs feiner Eltern, nach Italien zurückzukehren. In Rom (1609-1612)
Florenz- war er Plz. Tlzomafßrzs, des bekannten Kupferftechers (1561-1631), in Florenz
(x612'-1617) Giulzb Parzgiis, des berühmten Baumeifiers und Radirers (T 163 5),
äjlieägfigj Schüler. Mit der Herausgabe feiner vCapricci di varie figurer (Florenz um
1617; Meaume 768-4567) waren feine Lehrjahre zu Ende. Es find 50 kleine
Radirungen aus dem F lorentiner Volksleben, fcharf und launig aufgefafst, frei
und geiflreich hingeworfen, fein und lebendig ausgeführt. Bald darauf erfchienen
der ibethlehemitifche Kindermorde (M. 6) und die Darflellung des florentinifchen
I) Fälibien, a. a. O. II, p. {52-173. Mariette a. a. O. I, p. 258-291. Hauptwerk:
Ed, Meaume: Recherches sur 1a vie et les ouvrages de Jacques Callot; 2 Bände, mit dem Katalog
feiner Werke, Paris 1860.
2) Um io unbegreiüicher iil; es, dafs Fouqußs de Vagnonzlizle noch 1877 (L'Art von diefem Jahre,
I, p, 39 ff) die Echtheit aller diefer Bilder vertheidigte. Das Entfcheidende hat fchon Meanme a. a.
O_ I, p, 73_79 klar und bündig zufammengeßellt. Am erften könnten fein GSeIbfIÄPOÜTätH und
eder Schneckenmanm in den Uffizien zu Florenz, so wie, nach Guitfr, Kinkel, (in Kunß und Küniller,
Callot, S. I 5) das Zigeunerbild im Mainzer Mufeum Anfpruch erheben, für Gemälde von Callofs
Hand zu gelten.
3) Nach Fälibien 1593; allein da {eine Grabfchrift angiebt, er fei 1635, 43 Jahre alt, geiiorben,
fo hat man {ich feit Marielte dahin verftändigt, ihn 1592 geboren werden zu laffen, was übrigens
fchon Abr. Bosse in {einem Callofs Grabmal darflellenden Blatte bezeugt.