282
Sechstes Buch.
Zweiter Abfchnitt.
an; und von ihnen aus hat der ßestilo vaporosoe iich auch anderen feiner
fpäteren Schöpfungen mitgetheilt.
Fit??? Bartolouzd Esfäöazz [Wurillo wurde am 1. Januar 1618 zu Sevilla getauft.
Da es damals Sitte war, die Kinder am Tage nach ihrer Geburt zu taufen,
fo ift er wahrfcheinlich am 31. December 1617 geboren. Sein Lehrer war
Juan del Castillo (oben S. 53). So lange er nur durch diefen beeinflufst war,
vermochte er nicht, {ich über deffen trockene und harte Vortragsweife zu er-
heben. Erft als Pedro de Moya (oben S. 254) nach van Dycks Tode im Jahre
1642 nach Sevilla zurückkehrte und dort mit feinen freieren, weicheren Werken
Auffehen erregte, foll Murillo zu der Einficht gekommen fein, wie weit entfernt
er davon fei, den Anfprüchen der Zeit an eine wirklich malerifche Vortragsweife
zu genügen 1). Rafch entfchloffen, erwarb er {ich durch einige jener billigeren
Arbeiten, mit denen er fich damals in der Regel begnügen mufste, die Mittel,
ifffafjriifä_ um nach Madrid zu reifen. Sein grofser Landsmann V elazquez nahm fich hier
feiner an, verfchaffte ihm die Gelegenheit, die Meifterwerke Tizians, Rubens", Van
Dyck's und Ribera's in den königlichen Schlöffern zu copiren und beeinfiufste ihn
natürlich vor allen Dingen felbft durch feine eigene, freie und grofsartige Technik.
Velazquez, Ribera, Tizian, Rubens und van Dyck lind in diefem Sinne daher
Rifcäiäghr als die eigentlichen Lehrer Murillo's anzufehen. Im Jahre 1645 kehrte er von
nach Sevi11a' Grund aus verändert nach Sevilla zurück. Hier wurden ihm nun fofort gröfsere
Aufträge zu Theil. Der innere Ernft und die frifche Kraft, womit er fie ausführte,
fetzten feine Landsleute in Erftaunen. Sein Ruf war fofort begründet; und
wenn fein Stil, durch die übermächtige Erinnerung an. jene grofsen Meifier,
die in Madrid auf ihn eingewirkt hatten, auch anfangs noch etwas fchwankend
und zugleich durch die Anftrengungen, die er machte, um felbftändig zu werden,
etwas rauh erfchien, fo fand er jetzt doch bald fein eigenftes Selbft; fein anda-
lufifcher Genius verfchmolz alle jene Erinnerungen mit feinen eigenen Offen-
felbääjäiger barungen zu dem neuen, nur Murillo eigenthümlichen Stile, den wir in feinen
Slil- verfchiedenen Entwickelungsphafen fchon charakterifirt haben. Im Jahre 1648
"hatte der dreißigjährige Meifter es fo weit gebracht, dafs er feinen eigenen
Seine Ehe. Haushalt gründen konnte. Er verheirathete fich mit Doüa Beatriz de Cabrera
y Sotomayor und blieb als guter Sevillaner bis an fein Ende in feiner Vater-
neierjssgliz-m ftadt anfafüg. Im Jahre 1660 wurde hier die Akademie gegründet, deren
Dxlßäägjnjießr Vorfitzender und Director Murillo wurde. Einige Jahre fpäter berief Karl II.
von Sevilla. ihn an den Hof zu Madrid. Aus Liebe zur Unabhängigkeit und zu Sevilla
aber lehnte der Meifler diefe Berufung ab. Selbft auswärts gearbeitet fcheint
er kaum zu haben, bis er zu Anfang des Jahres 1682 einem Rufe nach der
fgecigecläääge benachbarten Hafenftadt Cadiz, für welche er fchon früher gemalt hatte, folgte,
'um das Altarblatt der dortigen Kapuzinerkirche am Orte felbft auszuführen.
Hier fliefs ihm bei der Arbeit ein Unfall zu. Es heifst, er fei vom Gerüfle
gefallen?) Ohne das Gemälde ganz vollendet zu haben, kehrte er heim. Sichtbar
I) Vgl. oben S, 254. Von einer unmittelbaren und dauernden Beeinfluffung durch Moya felbft
kann dabei keine Rede fein.
2) Stirling, a, a. O. p. 887, Anm. 2., glaubt eher, dafs Murillo das Bild, wie alle übrigen, in
Sevilla gemalt habe und dal's ihm hier, in (einem eigenen Atelier, der Unfall zugeflofsen fei. Doch
irrt Slirling, wenn er fagt, Cean Bermudez berichtete nicht, dafs der Unfall {ich in Cadiz ereignet
habe. Siehe Bermudez a. a. O. p. 54.