Volltext: Die Malerei von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. 3, Hälfte 1)

272 
Sechstes 
Buch. 
Zweiter 
Abfchnitt. 
Nur darf man diefen und den übrigen technifchen Vorzügen gegenüber die 
ebenfo feine und geiftvolle wie lebenswahre und fchlichte Durchführung aller 
einzelnen Bildniffe des Gemäldes und deren reizvolldmalerifche Gruppirung 
nicht überfehen und mufs man {ich vergegenwärtigen, dafs es uns nicht nur 
das Verhältnifs des Velazquez zum Hofe, fondern auch ein Stück des Hof- 
ceremoniells und ein Stück der Mifsgeburtenwirthfchaft am fpanifchen Hofe 
fchildert und dadurch zugleich ein äufserit lebendiges Stück Hof- und Sitten- 
gefchichte des 17. Jahrhunderts vor Augen führt. Aus allen diefen Eigen- 
fchaften des Bildes erklärt es fich, dafs fchon ein Kenner und Künfller wie 
Luca Giordano (oben S. 200) bei feinem Anblicke ausrief, es fei ßdie Theologie 
der Malereir, womit er in dem theologifch geftimmten Spanien natürlich nur 
den Inbegriff aller höchPcen malerifchen Qualitäten bezeichnen wollte. Der 
Name der ßTheologie der Malereia ift dem Bilde hie und da geblieben. 
deylfafäfen Sehen wir uns endlich aufserhalb Spaniens nach Bildern diefes letzten 
läfäftläisdiis Stiles des Meiflers um, fo müffen wir uns abermals zunächft nach Wien wenden. 
wääleägiifirill- An fpäten fpanifchen Hofbildniffen befitzt die kaiferliche Gallerie diefer Stadt 
Wien, noch ein lebensgrofses Kniebild der Königin Maria-Anna, eine liebenswürdige 
Darftellung der Infantin Margaretha Therefia, ihrer Tochter, und die beiden für 
die fpätePre, freieffe Malvveife des Meifters fo aufserordentlich charakteriftifchen 
Bildniffe derfelben lnfantin im Alter von 8-9 Jahren und ihres kleinen Bruders, 
des zweijährigen Infanten Philipp Prosper nebft deffen kleinem weifsen Hunde, 
 welche der Meilier, wie fchon Palomino l) ausdrücklich berichtet, im Jahre 1659 
eigens als Gefchenk des Königs von Spanien an den Kaifer von Oeflerreich 
malen mufste. Als Hauptbild des Velazquez in der Wiener Gallerie aber gilt das 
mittelgrofse Gemälde, Welches angeblich den Meifter felbPc im Hintergründe feines 
eine Stufe höher gelegenen Ateliers an der Staffelei, im Vordergrunde aber feine 
in der_Nat.- Gattin mit allen ihren Kindern und Enkeln darffelltßl) Auch die Londoner 
GELTä-ßnf" Nationalgallerie beiitzt in ihrem grofsen Jagdftiicke von der Hand des Velazquez, 
Welches König Philipp IV. und fein Gefolge in grofser, wilder, geiPtvoll doch etwas 
 folienhaft behandelter Landfchaft auf der Eberjagd darftellt, ein eigenartiges 
f;  Hauptbild diefer fpäteren Zeit des Meiflers; aus dem Louvre zu Paris find ein 
Prinzeffinnenporträt und eine fkizzenhaft behandelte kleine Darffellung dreizehn 
neben einander ftehender fpanifcher Künfilergefialten, in dem Städelfchen Inftitut 
 zu Frankfurt a. M. ift noch ein Bild der Prinzeffin Margaretha, in den Uffizien 
in Florenz, zu Florenz flnd noch die beiden Selbffbildniffe des MeiPcers zu bemerken. In 
igriefäli den englifchen Privatgallerien befindet fich auch aus diefer fpäteren Zeit des 
galerien, Meifiers noch manches gute Bild, neben vielem Unechten und manchen Schul- 
wiederholungen, wie fie befonders von den Bildniffen des Königs, des Herzogs 
Olivares und des Papftes lnnocenz X. in der ganzen Welt zeriireut vorkommen. 
imcafelgleifh Ein gutes Bild Philipps IV. befindet fich z. B. im Dulwich College. 
ülilflläisbe- Velazquez- hat auf den ihm Iinnesverwandten Theil der Malerei der zweiten 
ng. Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts einen Einflufs ausgeübt, wie kaum-ein 
1) A. u. O. p. 34.9. 
2) Neuerdings lind von C11, B. Czzrfzlv, 21.21. O. p. 15-16 gewichtige Gründe in's Feld geführt, 
um zu beweifen, dafs diefes geifivolle Bild nicht die Familie des Velazquez, fondern diejenige feines. 
Schülers und Schwiegerfolnues Mazo (larfielle und auch von cliefem letzteren gemalt worden fei.
	        
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