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Buch.
Sechstes
Zweiter
Abfchnitt.
Kopf in bunter Kleidung auf glattem Fliefenboden daPtehenden Mannes, der
den Spitznamen Don Iuan d'AuItria führte, und eines pfiffig dreinfchauenden
Zwerges, der einen grofsen Hund am Bande hält (Wiederholung im Berliner
Mufeum), gehören zu den tüchtigften Arbeiten der Spätzeit des Meifters und
Bilßäzgiä-eim zu feinen intereffanteiien Werken im Madrider Mufeum. Ihnen fchliefsen, eben-
nlladrider dort, das ausgezeichnete Porträt eines Bildhauers und die beiden aufserordent-
Mufeunh lich lebendig und geiftvoll durchgeführten, keck aus dem Leben gegriffenen, durch
deutliche Infchriften aber als griechifche wldealbildniffea gekennzeichneten Dar-
Mvrholo- ftellungen des Aefopus und des Menippos fich an. 1) Weniger anziehend lind
Iiiiiwixigäairrix die wirklichen mythologifchen Dariiellungen des Meiliers aus diefer Zeit, welche
liiiiiirgiilnii das Mufeum befitzt: iMercur im Begriffe Argos zu tötem, urfprünglich als
Decorationsftück des Spiegelfaales des Schlofies und als Gegenfjtück zu einer
verlorenen Darftellung der vSchindung des Marfyas durch Apollom gemalt, und
der Kriegsgott Mars, fitzend, faft nackt, von allen feinen Attributen umgeben
und doch eben nur eine lebendige Aktfigur, der man das Modell beim erften
Dläjääiliif; Blicke anfieht. Viel intereffanter, zugleich landfchaftlich hochbedeutend, ift die
hgsäriidxrär Darftellung des Befuches des hl. Abtes Antonius bei dem hl. Einfiedler Paulus
Mufeum. in der Wüfte, ebenfalls im Madrider Mufeum; und diefe glückliche Sammlung
befitzt endlich auch die beiden grofsen Meifterwerke der letzten Zeit des
Velazquez, in welchen fein fpäter Stil {ich in feiner eigenartigften und glänzendlien
Telläägyh Entfaltung zeigt: xdie Teppichwirkerinnena (ßLas Hilanderase) und vdie Familieß
ivirkerinuenu oder die wHofdamenc (wLas Meninase): beides {igurenreiche lebensgrofse Dar-
im Madrider
Mufeum. ftellungen von genrehaftem Charakter. Die zuerPc genannte ift fogar ein vGenre-
bilde im eigentlichften Sinne des Wortes. Im Vordergrunde iPt der Fabrikraum
dargeitellt, in dem wir fünf, zum Theil hübfche und junge Teppichwirlqerinnen
in den lebendigften Stellungen und Bewegungen bei ihrer Arbeit fehen. Im
Hintergrunde, der durch eine grofse Rundbogenöffnung mit diefem von
feinem Halblichte erfüllten Vorderraume in Verbindung fteht, ift der durch
ein nicht {ichtbares F enPter hell erleuchtete Verkaufsraum dargeftellt. Die
fertigen Teppiche (Gobelins) hängen hier an den Wänden; und vornehme
Damen betrachten die ausgehängte Waare. Gerade diefes Bild ift, in der Nähe
gefehen, nur ein wirres Nebeneinander keck hingeworfener Pinfelftriche, aus
einer gewiffen Entfernung betrachtet aber ein wahres Wunder von malerifch
aufgefafster körperlicher Rundung in den Figuren, erftaunlichPter perfpectivifcher
Vertiefung im Raume und natürlichfter, klarfier Frifche in der F arbengebung.
zäLäS wLas Meninasr hingegen find, genau genommen, ein grofses Familiengruppenbild.
hlfviigigiiirielm Der Künftler hat {ich felbPc dargeftellt, im Begriffe den König und die Königin
Muüwm" zu malen (Fig. 490); neben ihm flnd die beiden Ehrendamen um die kleine
Prinzeffin Margaretha Maria befchäftigt; ganz rechts {teht die Zwergin Maria
Barbola mit ihrem ungeheuren Kopf, fteht der zierliche Zwerg Nicolafito Pertu-
fato und liegt" ein grofser fchläfiiger Hund am Boden. Das ift alles, Aber
wie hat Velazquez diefes Stück fpanifchen Fürftenlebens des 17. Jahrhunderts
aufgefafst und wiedergegeben! Es war ein kühner Einfall des Künftlers, den
ÜÄ Vgl. Don
P- 169-176.
Pedro
de
Madrazo's Auffatz
über
Bilder in
diefe
der Zeitfchrift L'Art,
Paris
18781