264
Buch.
Sechstes
Zweiter
Abfchnitt.
find zu dem Helldunkelduft, der nach hinten {ich in finftre Nacht verliert, aber
den mittleren Haupttheil des Bildes in ein überaus wahres Nebellicht hüllt, in
genialfler Weife in Beziehung gefetzt. Man weifs nicht, was man mehr be-
wundern foll, die überaus köllliche Behandlung der nackten Fleifchtheile diefer
Gelialten, die unerhört wahre Darllellung der Luft- und Lichtperfpective des
gefchloffenenRaumes oder die packende Lebendigkeit, mit welcher die darge-
flellte Handlung zur Anfchauung kommt. Wenn wir das Bild lange anfehen,
meinen wir Apollon reden zu hören. Gerade diefem Bilde gegenüber nun hat
man die realiflzifche Auffaffung der mythologifchen Geftalten unbegreiflich, man
hat Vulcan und feine Gefellen ßvulgärr, Apollon unbedeutend und derb ge-
funden. Indeffen haben f1ch felbfl die alten Griechen den Schmiedegott
und feine Gefellen keineswegs in idealer Schönheit vorgeltellt; und wenn diefer
Apoll des Velazquez auch vielleicht dem conventionell gewordenen Typus des
Apollon des Belvedere zum Trotze gemalt ift, fo bleibt der Beweis, dafs er
häfslich fei, doch noch zu führen. Jedenfalls ift es Velazquez vollkommenfter
Ernft mit diefem einzigen Bilde gewefen; und mit wuchtigem Ernft ergreift es
noch heute den Befchauer, der ihm unbefangen und rohne Vorurtheil gegen-
aaäelliigllgjfs übertritt. In Rom mag Velazquez damals auch das treffliche Bildnifs eines
031155331" jungen Mannes gemalt haben, welches fich jetzt in der Gallerie des Capitols
die skiiw. befindet; und jedenfalls lind in Rom jene beiden ausgezeichneten landfchaftlichen
aiieläiäilfiiäa Studien aus dem Garten der Villa Medici, die der Künfiler dort eine Zeit lang
bewohnte, entflanden, welche in ihrer fchlichten Naturwahrheit und überzeugenden
Luft- und Linearperfpective epochemachend in der Gefchichte der Landfchafts-
malerei hätten fein müffen, wenn diefer Kunftzweig überhaupt im höherem
Grade das Intereffe der Spanier zu erregen vermocht hätte. Sie befinden {ich
im Madrider Mufeum.
aal; Nach Madrid zurückgekehrt, begann Velazquez nun, immer freier, immer
Fzläiriäfsr leichter, immer heller in der Behandlung werdend, jene lange Reihe von F ürflen-
Meifters- bildniffen zu malen, die ihres Gleichen in der ganzen Welt fuchen und zu den
Fürgenäild- Igröfsten Schätzen des Madrider Mufeums gehören. Nach einander malte er den
iiaiiridii Bruder des Königs, den Cardinal-Infanten Ferdinand von Oelterreich, im Jagd-
Mufeums coftüm mit hohen Stiefeln und kleiner Kappe, ausgezeichnet durch feine elegante
Haltung und feinen intelligenten Blick (um 1632), aden König Philipp IV., eben-
falls im Jagdanzug, fiehend, in ganzer Figur, die Flinte in der gefenkten Rechten,
den grofsen Hund links zu feinen Füfsen (um 1634), den kleinen fechs- bis
fiebenjährigen Prinzen Don Baltafar Carlos hoch zu Rofs, in die Landfchaft
hineinfprengend, Kinderfeligkeit, Prinzenhoheit und frifche Reiterluft zugleich im
jungen Antlitz (um 163 5), denfelben kleinen Prinzen im Jagdcoftüm neben dem
Hunde, der faPc fo grofs ifl, wie er felbft (um 1635), dann den eigentlichen Be-
herrfcher feines Herrfchers, den Herzog von Olivares (Fig. 487), einige Jahre vor
feinem Sturze, auf prächtigem Roffe in der Feldherrntracht, halb vom Rücken
gefehen, bildeinwärts fprengend (um 1640, ein Hauptbild des Meilters), und den
Prinzen Don Baltafar Carlos als vierzehnjährigen Jüngling noch einmal, nach-
läffig im Zimmer ftehend, die linke Hand auf eine Stuhllehne gePcützt, Hut und
Handfchuhe in der Rechten (um 1643), ferner den König und die Königin
Ifabella noch einmal zu Pferde, beide im Profil, ihn nach rechts, lie nach links