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Buch.
Sechstes
Abfchnitt.
Zweiter
an Zechgenoffen austheilt, den Bacchus vorgeftellt habe, kann daher keinem
Zweifel unterliegen; feine weichen, runden Züge widerfprechen auch gar nicht
einmal der überlieferten Bacchusvorftellung; und der hinter ihm liegende zweite
nackte Gefelle, welcher die Schale in der Linken erhebt, ift auch fchon durch
fein Pansgeficht als eine Geftalt aus dem Gefolge des Gottes charakterifirt.
Auffallend ift nur," dafs die übrigen fieben fich um ihn drängenden Geftalten
die Tracht fpanifcher Bauern und Soldaten tragen; auch der vor ihm Kniende,
dem er den Kranz auf's Haupt drückt, ift ein Soldat. Die Deutung, dafs alle
diefe Gefellen den Thiafos des Bacchus vorftellen follen, fcheint bei näherer
Betrachtung ebenfo ausgefchloffen zu fein, wie die Anficht, dafs auch die beiden
nackten Geftalten nur Bauern oder Soldaten feien, welche vBacchus fpielenr.
Vielmehr entfpricht der Darftellung nur die Auslegung, dafs der Künftler fich
einen Kreis luftiger Erdenzecher gedacht habe, in welchem der Gott felbft die
Siegeskränze vertheilt; eine Idee, welche der Anfchauung des I7.]ahrhunderts
keineswegs widerfpricht. Seiner Durchführung nach bezeichnet das intereffante
Bild einen Höhenpunkt der erften Stilepoche des Meifters. Noch find alle
einzelnen Geftalten fett und plaftifch modellirt und auf {ich felbft geftellt, noch
ift ein warmer, fonniger Ton über das ganze Gemälde ausgebreitet: und des
hellen Lichtftrahles, der von links hereinfallend mit wunderbarer Wirkung an
den nackten und bekleideten Körpern fpielt, bedurfte der Künftler noch, um
die einzelnen Glieder der Gruppe zu fondern und das Ganze malerifch zufammen-
zufaffen. Aber alle diefe Mittel der Modellirung, der Individualifirting und der
Beleuchtung find fo meilterhaft gehandhabt, dafs man dem Bilde ftaunend, wie
einer in ihrer Art unerreichten Leiftung gegenüberfteht und, fo lange man flCh
in feinem Bannkreife befindet, zweifelt, 0b die fpätere technifche Entwickelung
P3562215 des Meifters wirklich einen Fortfchritt bedeute. Und doch müffen fchon die
beiden grofsen Hiftorienbilder, welche er 1630 in Rom malte, fo eng fie fich
i" Rom: im allgemeinen an das Bacchusbild anfchliefsen und fo wenig Eintlüffe italienifcher
Studien in ihnen bemerkbar find, als Fortfchritt in der technifchen Entwickelung
des Meifters bezeichnet werden: das Nackte ift in ihnen fchon weicher und
gefchmeidiger modellirt, das Medium der Luft wahrer und einfacher mit zur
Jlziäplfläüäg: Geltung gebracht. Das eine diefer Bilder ftellt Jacob dar, dem feine Söhne
JEScälvr-iaärfx den blutigen Rock ihres Bruders jofeph bringen und befindet fich noch in der
i kleinen Gemäldefammlung des Escorial. Die plaftifche Modellirung fteht hier
derjenigen des Bacchusbildes noch näher. Es wird daher vor dem zweiten
dieSchrniede gemalt fein. Diefes zweite ftellt die Schmiede des Vulcan dar, in welcher
Apollon erfcheint, um dem Gotte des Feuers die Untreue feiner Gattin Venus zu
hladrid; melden (Fig. 486). Es befindet fich im Madrider Mufeum und gehört technifch
und malerifch zu den gewaltigften Bildern diefer Erde. Rechts ift die Schmiede
dargeltellt, links am Eingang erfcheint Apollon, ein halbnackter Jüngling in
gelbem Himation, einen Lorbeerkranz im Haare, einen hellen Strahlenfchimmer
um's Haupt. Vulcan und feine vier Gefellen fmd kräftige Schmiedegeftalten
aus dem Volke. Wie fie alle, einen Augenblick mit ihrer Arbeit innehaltend,
aufhorchen bei der Erzählung des Lichtgottes! Wie erfchreckt und grimmig
zugleich der hagere, fehnige Gott des irdifchen Feuers mit rollenden dunklen
Augen dem Gott des himmlifchen Feuers in's helle Antlitz ftarrt! Wie unge-