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Buch.
Sechstes
Zweiter Abfchnitt.
druck auf ihn gemacht. habe; denn wie frei von irgend welcher Nachahmung
Velazquez fich auch fein ganzes Leben hindurch erhielt, der Anregungen von
aufsen konnte er in feiner Entivickeltingszeit fo wenig entbehren, wie jeder
andere; und Tizian hatte in diefem Reiterbildnifs eigentlich fchon die Aufgabe
gelöft, die uns in etwas anderer Art in allen Reiterbildniffen des Velazquez
nicht minder glücklich gelöft erfcheint, die Aufgabe, die gröfste Naturtreue
mit dem breitefien, flüffigfien, gediegenften malerifchen Vortrag, aber auch mit
nääcälgjäfm der vornehmfien und lebendigiien Auffaffung zu verbinden. Kaum nach Sevilla
heimgekehrt, wurde Velazquez im Jahre 1623 durch König Philipps IV. all-
Baffugggg mächtigen Minifter, den Herzog von Olivares, nach Madrid zurückberufen. Er
liialfilgijier malte hier fein erftes, leider nicht erhaltenes Reiterbild des Königs und wurde
fofort zum königlichen Hofmaler ernannt. Philipp IV. liefs ihn nicht wieder
los. Seit feinem vierundzwanzigften Lebensjahre blieb er an den fpanifchen Hof
gekettet und blieb Madrid der Hauptfchauplatz feiner Erfolge. Der junge
König und der junge Maler waren für einander gefchaffen; und fechsunddreifsig
Jahre lang, bis zu des Meifters Tode, fuhr der König fort, ihm, um ihn an fich
Aeäfijeund zu feffeln, ein Hofamt nach dem anderen, eine Auszieichnung nach der anderen
{Iflslfgiff zu verleihen, bis er ihn endlich 1652 zu feinem vApofentador mayorr, was wir
wohl am beften mit wI-Iaus- und Reifemarfchallr überfetzen, und 1658 zum
Ritter des Ordens von Santiago machte. In feinem äufseren Leben intereffiren
uns aufserdem nur noch die Ereigniffe, die {einen künftlerifchen Horizont er-
ffjgängä; weitern konnten. Zu diefen Ereigniffen gehört der Befuch des vläniifchen
zu Rubens- Malers und Diplomaten P. P. Rubens am fpanifchen Hofe. Wir Wiffen, dafs
Rubens 1628 in Madrid war, wir hören, dafs er Freundfchaft mit dem
22 Jahre jüngeren Velazquez fchlofs und dafs er die Sehnfucht, Italien zu fehen,
in diefem weckte; von einem Einflufs der Kunftweife des grofsen Niederländers
auf den grofsen Spanier kann aber nicht die Rede fein. Thatfachlich finden
{ich keine Anklänge an den Stil des Rubens in feinen Werken; und that-
fachlich war er 1628 bereits viel zu felbftändig entwickelt, als dafs er {ich
durch irgend jemand hätte irre machen laffen. Das zeigte fich noch klarer,
ääjgzitägi als er im folgenden Jahre, 1629, wirklich nach Italien ging und nach andert-
Reife- halbjähriger Abwefenheit Anfang 1631 nach Madrid zurückkehrte. Er hatte
fich, charakteriftifch genug, zuerft nach Venedig gewandt, wo er fogar Tintorettds
grofse Kreuzigung (oben S. 23) copirte, er hatte fich dann aber hauptfachlich
in Rom aufgehalten, um {ich mit Michelangelo und Raphael zu befreunden.
Gerade von Rom aber fchickte er zwei grofse Hifiorienbilder nach Haus, die ihn
ganz als den alten, ganz als ihn felbfi, ganz unbeeinfiufst von den älteren wie
Heifßfhr von den moderneren Italienern zeigten. Er kehrte als derfelbe durch und
idurch fpanifche Künfiler in feine Heimath zurück, wie er {ie verlaffen hatte.
Seine zweite A15 er Zwanzig Jahre fpäter feine zweite italienifche Reife unternahm, konnte
italienifche
Reife. die Kunft des Nachbarlandes, fo hoch er {ie verehrte, ihm natürlich vollends
nichts mehr anhaben. Diefes Mal reifte er, um im Auftrage des Königs Kunft-
werke, befonders plafiifche Bildwerke, Bronzen und Gipsabguffe nach Antiken,
mit denen eine Akademie in Madrid gegründet werden follte, in Italien anzu-
schaffen; und diefes Mal blieb er drittehalb Jahre abwefend. Er hatte Madrid
Ende 1648 verlaffen und kehrte im Juni 1651 dorthin zurück. Die letzten acht