Volltext: Die Malerei von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. 3, Hälfte 1)

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Sechstes Buch. 
Zweiter Abfchnitt. 
Velazquez 
Bildnifs- 
malereif 
Velazquez" 
als Hiitorien- 
maler. 
die einmal eingefchlagene, ihm allein mögliche Richtung bis zu ihrem letzten 
Ziele verfolgen. Er ift der unbefangenfie Künfller Spaniens und einer der 
gröfsten Techniker Europas In feinem malerifchen Vortrag, vielleicht nur in 
dem feinen, findet flCll keine Spur von Convention, nicht der geringiie Anflug 
von Manierirtheit. S0 wie er malt, meint man, müffe die Natur felbft malen, 
wenn f1e es einmal vorzöge, ihre Gebilde auf eine Fläche zu werfen, anftatt f1e 
in den Raum zu Pcellen. Raphael Mengs, der grofse deutfche Meifter des doch 
fo ganz anders empfindenden vorigen Jahrhunderts, fagte, Velazquez fcheine 
feine lxVerke weniger mit der Hand, als mit dem blofsen Willen gemalt zu 
haben: fo unbedingt folgte feine Hand feinem Willen, mit fo ficherem Auge 
beherrfchte er das geheimfte Weben der Natur, fo ruhig und wie aus einem 
Guffe Pcehen feine fertigen Bilder da. 
Die höchflen Triumphe feierte Velazquez mit diefem Naturalismus und diefer 
Technik natürlich auf Gebieten, wo er es mit gegebenen Gröfsen zu thun hatte, 
wo es nur auf die ruhige Auffaffung und richtige Wiedergabe beftimmter Vor- 
bilder ankam, alfo in der Bildnifsmalerei und den verwandten Fächern. Er ift 
in der That, wenn nicht der gröfste  fo abfprechend wird die Gefchichts- 
fchreibung nicht fein  fo doch einer der wenigen gröfsten Bildnifsmaler aller 
Zeiten und Völker; und freilich zeigen gerade feine Bildniffe, wie weit die Thätig- 
keit eines grofsen Realiften und grofsen Technikers, wenn er ein wirklich grofser 
Künfiler ifi, doch von der mechanifchen Abfchrift und Vervielfältigung, die z. B. 
der photographifche Apparat auszuführen vermag, entfernt ift; denn, unabhängig 
von dem zufälligen Ausdruck, welchen die flüchtige Stunde dem Menfchen verleiht, 
hat er Herz und Nieren der Perfonen,-die er darftellt, geprüft, hat er ihren ganzen 
Charakter, ihre eigenfien Lebensgewohnheiten, ihr geheimfies Emptindungsleben 
durchfchaut und fafst alle diefe Einzelzüge mit genialer Intuition zu dem Bilde 
zufammen, welches er darftellt. Es weht uns daher eine geiftige Atmofphäre 
aus diefen Bildern an, die ihnen doch eine gewiffe vornehme, niemals aufdring- 
liche und phrafenhafte Idealität verleiht. 
Verfuchte Velazquez {ich dagegen auf dem Gebiete der freien Schöpfungen, 
der religöfen oder mythologifchen Compofitionen, fo traten in der Regel eigen- 
thümliche Gebilde zu Tage, gegen die es, wenn wir nicht ganz von ihrem 
Inhalte abfehen, fchwer in, gerecht zu fein. Befonders gilt dies von den mytho- 
logifchen Darflellungen des Meifiers, welche manchen Erklärern fo unerklärlich 
fchienen, dafs f1e an eine abfichtliche humoriftifche Carikirung dachten; und doch 
hat Velazquez ficher nichts ferner gelegen, als eine folche Auffaffung. Er trat 
eben auch an derartige Stoffe ganz ohne vorgefafste Meinung und hergebrachte 
Vorftellung heran und ftellte f1e mit den Perfonen der ihm zur Verfügung 
Pcehenden, allerdings an fich nichts weniger als idealen Geflaltenwelt dar. Sehen 
wir auf Werken diefer Art nur die Figuren in ihrer Haltung innerhalb des 
natürlichen Licht- und Lufttones, in ihrer äufserlichen Beziehung zu einander, 
und fehen wir dann das Bild auf feine malerifche Gefammtwirkung an, fo werden 
wir von der Meifterfchaft ihrer Ausführung fo hingeriffen fein, dafs wir in _der 
That vergeffen, nach dem Inhalt zu fragen, und einige diefer Werke trotz 
ihrer Abfonderlichkeiten zu den herrlichften Schöpfungen, die aus Farben zu- 
fämmengefügt worden, rechnen müffen.
	        
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