Die
Malerei
fpanifche
Jahrhunderts.
239
Malerei. Jene entfprachen dem Bedürfniffe der Hierarchie, diefe demjenigen
des, Hofes. Die Hierarchie und der Hof waren überhaupt die beiden Haupt- Ihäalägitfe"
gönner der Kunli in Spanien. Doch nahm diefe hier im Dienfte des Hofes gönnen
keineswegs, wie es z. B. in Frankreich der Fall war, einen höfifchen Charakter
an, fondern entwickelte fich, auffallend genug, in der Hofluft nur um fo natur-
wüchiiger und frifcher.
In welchem Grade dagegen die Hierarchie {ich bemühte, den in ihrem rpaläiifche
Dienfte Prehenden Theil der Kunft, alfo die gefammte Kirchenmalerei, in mljliäfäerä-tas
Zucht und Zaum zu halten, ili fchon oben (S. 56) angedeutet worden. Pzzckeafs ü];
bArte de la Pinturax 1) enthält zwar manche nützliche Anregungen und tech-
nifche Winke, iPc aber in Bezug auf die Vorfchriften, denen die religiöfe Malerei Vorfälgifte"
fich zu unterwerfen hatte, das entfcheidende YVort der Inquilition. Zu einer Inßluifltion-
anderen Zeit oder bei einem andern Volke hätte eine folche Bevormundung
zu fchablonenhafter Erltarrting führen müffen. Die fpanifchen Künftler des
I7. Jahrhunderts aber befafsen ein fo lebhaftes Naturgefühl, ein fo ltarkes "fneejfeäg;
Temperament, eine fo feurige Leidenfchaft, dafs es ihnen gelang, ohne den flßäälägilif"
Buchliaben jener Vorfchriften zu opfern, gerade ihre Andachtsbilder mit einer
naturaliitifchen Kraft der einzelnen Geflalten, mit einem glühenden Feuer leiden-
fchaftlicher Inbrunft und felbft mit einem Anflug fchwärmerifcher Sinnlichkeit
auszullatten, wie f1e {ich in der Kunft keiner anderen Zeit und keines anderen
Volkes in gleicher YVeife vereinigt Enden. RealiPcifch-genrehafte Auffaffungen, Glgirrsläleßlffe
welche die Vorgänge der heiligen Gefchichte dem Verftändiliffe des Volkes bilden
näher brachten, verpönte die Inquilition auch ebenfowenig, wie die vifionäriien und Vilions-
ekfiatifchfien Verzückungen; und fo kam es, dafs die fpanifchen Kirchenmaler bilden
{ich gerade nach diefen beiden entgegengefetzten Richtungen hin für den Zwang,
der ihnen in anderen Beziehungen auferlegt war, entfchädigten. Das fchlichte
Volksftück mit religiöfer Empfindung zu erfüllen und dadurch auch innerlich
zum Andachtsbilde Zu erheben und das überlinnlichfle Vilionsbild linnlich greif-
bar und dadurch der Andacht der gläubigen Menge dienftbar zu machen, hat
keine Kunft beffer verftanden, als die fpanifche des I7. Jahrhunderts.
Uebrigens heifchten auch in der eigentlichen fpanifchen Hofkunli, in der Die
Bildnifsmalerei, gerade weil iie nicht zu fchmeicheln verftand, die-ftrenge igiiÄiiiCfÄ-e
Hofetikette und das fteife Beamten-Ceremoniell ihr Recht. Unbedingte Aehn- rfzihiiis
lichkeit und fpanifche Grandezza mufsten {ich zu einem unauflöslichen Ganzen hundem
vereinen. Der angeborene Naturalismus der fpanifchen Kunft des I 7. Jahr-
hunderts kam den Bildnifsmalern natürlich in Bezug auf die fprechende Wieder-
gäbe der dargeftellten Perfönlichkeiten zu Hatten. Zugleich aber liegt ein gutes
und geiftvolles Stück Idealismus in der glänzenden Art und Weife, mit welcher
CS den erften fpanifchen Porträtifien des Jahrhunderts gelang, die geiliige Atmo-
fPhäre, in welcher ihre Befchützer und Befleller athmeten, wiederzugeben.
Naturaliftifch ähnlichere und zugleich geiftig vornehmere Bildniffe, als lie die
grofsen fpanifchen Bildnifsmaler diefer Zeit gefchaffen haben, lind nie und nirgends
L
l) Vgl. oben S. 56. Der Titel des Werkes iß: Arte de 1a Pintura, su untiqnedad y grandezas,
Sevilla 1649 (nicht 1639). Neudruck durch D. G. Cruzada Villaamil Madrid 1866. Dazu D. M,
A-"ensia: Franc. Pacheco, sus obras artisticus y literarias, Sevilla (1876)-