Volltext: Die Malerei von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. 3, Hälfte 1)

Die 
Malerei 
fpanifche 
Jahrhunderts. 
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Malerei. Jene entfprachen dem Bedürfniffe der Hierarchie, diefe demjenigen 
des, Hofes. Die Hierarchie und der Hof waren überhaupt die beiden Haupt- Ihäalägitfe" 
gönner der Kunli in Spanien. Doch nahm diefe hier im Dienfte des Hofes gönnen 
keineswegs, wie es z. B. in Frankreich der Fall war, einen höfifchen Charakter 
an, fondern entwickelte fich, auffallend genug, in der Hofluft nur um fo natur- 
wüchiiger und frifcher. 
In welchem Grade dagegen die Hierarchie {ich bemühte, den in ihrem rpaläiifche 
Dienfte Prehenden Theil der Kunft, alfo die gefammte Kirchenmalerei, in mljliäfäerä-tas 
Zucht und Zaum zu halten, ili fchon oben (S. 56) angedeutet worden. Pzzckeafs ü]; 
bArte de la Pinturax 1) enthält zwar manche nützliche Anregungen und tech- 
nifche Winke, iPc aber in Bezug auf die Vorfchriften, denen die religiöfe Malerei Vorfälgifte" 
fich zu unterwerfen hatte, das entfcheidende YVort der Inquilition. Zu einer Inßluifltion- 
anderen Zeit oder bei einem andern Volke hätte eine folche Bevormundung 
zu fchablonenhafter Erltarrting führen müffen. Die fpanifchen Künftler des 
I7. Jahrhunderts aber befafsen ein fo lebhaftes Naturgefühl, ein fo ltarkes "fneejfeäg; 
Temperament, eine fo feurige Leidenfchaft, dafs es ihnen gelang, ohne den flßäälägilif" 
Buchliaben jener Vorfchriften zu opfern, gerade ihre Andachtsbilder mit einer 
naturaliitifchen Kraft der einzelnen Geflalten, mit einem glühenden Feuer leiden- 
fchaftlicher Inbrunft und felbft mit einem Anflug fchwärmerifcher Sinnlichkeit 
auszullatten, wie f1e {ich in der Kunft keiner anderen Zeit und keines anderen 
Volkes in gleicher YVeife vereinigt Enden. RealiPcifch-genrehafte Auffaffungen, Glgirrsläleßlffe 
welche die Vorgänge der heiligen Gefchichte dem Verftändiliffe des Volkes bilden 
näher brachten, verpönte die Inquilition auch ebenfowenig, wie die vifionäriien und Vilions- 
ekfiatifchfien Verzückungen; und fo kam es, dafs die fpanifchen Kirchenmaler bilden 
{ich gerade nach diefen beiden entgegengefetzten Richtungen hin für den Zwang, 
der ihnen in anderen Beziehungen auferlegt war, entfchädigten. Das fchlichte 
Volksftück mit religiöfer Empfindung zu erfüllen und dadurch auch innerlich 
zum Andachtsbilde Zu erheben und das überlinnlichfle Vilionsbild linnlich greif- 
bar und dadurch der Andacht der gläubigen Menge dienftbar zu machen, hat 
keine Kunft beffer verftanden, als die fpanifche des I7. Jahrhunderts. 
Uebrigens heifchten auch in der eigentlichen fpanifchen Hofkunli, in der Die 
Bildnifsmalerei, gerade weil iie nicht zu fchmeicheln verftand, die-ftrenge igiiÄiiiCfÄ-e 
Hofetikette und das fteife Beamten-Ceremoniell ihr Recht. Unbedingte Aehn- rfzihiiis 
lichkeit und fpanifche Grandezza mufsten {ich zu einem unauflöslichen Ganzen hundem 
vereinen. Der angeborene Naturalismus der fpanifchen Kunft des I 7. Jahr- 
hunderts kam den Bildnifsmalern natürlich in Bezug auf die fprechende Wieder- 
gäbe der dargeftellten Perfönlichkeiten zu Hatten. Zugleich aber liegt ein gutes 
und geiftvolles Stück Idealismus in der glänzenden Art und Weife, mit welcher 
CS den erften fpanifchen Porträtifien des Jahrhunderts gelang, die geiliige Atmo- 
fPhäre, in welcher ihre Befchützer und Befleller athmeten, wiederzugeben. 
Naturaliftifch ähnlichere und zugleich geiftig vornehmere Bildniffe, als lie die 
grofsen fpanifchen Bildnifsmaler diefer Zeit gefchaffen haben, lind nie und nirgends 
L 
l) Vgl. oben S. 56. Der Titel des Werkes iß: Arte de 1a Pintura, su untiqnedad y grandezas, 
Sevilla 1649 (nicht 1639). Neudruck durch D. G. Cruzada Villaamil Madrid 1866. Dazu D.  M, 
A-"ensia: Franc. Pacheco, sus obras artisticus y literarias, Sevilla (1876)-
	        
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