Volltext: Die Malerei von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. 3, Hälfte 1)

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Buch. 
Sechstes 
Zweiter 
Abfchnitt. 
fchriebene Meifterwerk, durch welches er zugleich den mittelalterlichen Roman 
fatirifch vernichtete und ein bis auf den heutigen Tag giltiges Mufter des 
Lglgäafle Romanes der Neuzeit hinftellte; Lupe de Vlga, der 1635 unter Philipp IV. in 
Madrid geftorbene fruchtbarfte aller fruchtbaren Dichter, zeigte in den un- 
zähligen Schaufpielen und Luftfpielen, mit denen er das Theater feines Vater- 
landes bereicherte, die Möglichkeit, aus den Vorausfetzungen und Empfindungen 
des eigenen Volkes heraus, unbekümmert um die alten Griechen und Römer, 
eine nationale Schaubühne zu fchaffen, und wurde dadurch einer der Begründer 
Calderon. des gefammten modernen Dramas; Czzlderorz de [a Barm endlich, der im 
Januar 1600 geborene, 1651 in den geiftlichen Stand getretene, erit 1682 unter 
Karl II. geitorbene poetifchfte aller fpaziifchen Poeten, brachte das Schaufpiel 
der Halbinfel nicht nur feiner Form und feiner Diction, fondern auch feinem echt- 
fpanifchen, durch und durch katholifchen, manchmal abfiofsend einfeitigen und 
     
merifchen und myflifch-romantifchen Geiite nach zur höchften Vollendung. Er ift 
für alle Zeiten und Völker der klaffifche Dramatiker des Katholicismus. 
Diefer nationalen Entfaltung der fpanifchen Poefle ging eine nicht minder 
(a: herrliche Entwickelung der bildenden Künfte parallel. S0 eigenartig aber 
Biläi:rei_ auch die fpanifche B il dnerei des I7. Jahrhunderts in ihrer faft ausfchliefslichen 
Kirchlichkeit, in ihrer entfchloffenen, farbenglühenden Polychromie, in ihrer 
 naturaliflifchen und doch feinen Formengebung auftrat, fo erwies {ich nach wie 
Die Amme, vor doch die Malerei als die eigentliche fpanifche Nationalkunft; ja, jetzt erft 
Ihre fehen wir die fpanifche Malerei, aller Feffeln des Germanismus und des Italis- 
slgiiiifagnnariig- mus ledig, im Vollbefitze der mächtigfteil technifchen Mittel der Zeit, ihre eigenen 
km" Wege gehen und ihre eigenen Ziele erreichen. Dafs fie im 17. Jahrhundert alle 
und jede niederländifchen oder italienifchen Einflüffe abgelehnt habe, foll damit 
nicht gefagt fein; aber es foll im Voraus betont fein, dafs gerade in Bezug auf 
die gröfsten fpanifchen Maler, auf Meifter wie Velazquez und Murillo, von der- 
artigen Einüüffen nicht entfernt in dem Sinne die Rede fein kann, wie es hier 
und da gefchehen ift. Dafs auch {ie von anderen gelernt haben, verfleht {ich 
von felbft; aber fie haben die fremden Elemente, von denen fie beeinflufst 
worden, fo innerlich verarbeitet, dafs fie in ihren Werken nicht mehr zu Tage 
treten und mit der aus ihrer eigenen nationalen Ueberzeugung hervorgewachfenen 
Kunftweife zu einem felbftändigen, durch und durch nationalen Ganzen ver- 
fchmolzen erfcheinen. 
Nääargälggf Der Vorzug der Vielfeitigkeit aber läfst fich der fpanifchen Malerei auch 
kein. im 17. Jahrhundert nicht nachrühmen. Der Geift der Inquifltion laftet immer 
noch auf ihr; linnlich-weltliche, heidnifch-mythologifche und felbft poetifch-hifto- 
rifche Darftellungen gehören in ihr zu den Seltenheiten und erfcheinen in den 
wenigen Fällen, wo fie nicht verfchmäht werden, beim erften Anblick faft als 
Zerrbilder der hergebrachten Auffaffting folcher Gegenltände; auch die Land- 
fchaftsmalerei, in welcher die fpanifche Inquifition vielleicht den pantheiltifchen 
Beigefchmack (vgl. oben, S. 112) herausgefunden hätte, fpielt keine hervor- 
Ihxäabläitden ragende Rolle unter den Werken der grofsen Spanier, wenn auch einige Meifler 
fächer. zweiten Ranges {ie zu ihrem Hauptfache gemacht haben. Nach wie vor fmd 
Altarblätter und Bildniffe (Vgl. oben S. 36) die Hauptgegenflgände der fpanifchen
	        
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