Die
toscanifche
Malerei
des
fiebzehnten
Jahrhunderts.
NVährend Wir in den vorhergehenden Jahrhunderten auf dem Gebiete der
toscanifchen Kunft Städte, wie Siena, erfolgreich mit Florenz in die Schranken Ttäljäigjwfind
treten fahen, wurde die fchöne Arnoftadt jetzt als anerkannte Hauptftadt Tos-
cana's in folchem Maafse der Mittelpunkt aller künitlerifchen Beftrebungen diefes
Grofsherzogthums, dafs wir nur noch gelegentliche flüchtige Blicke auf ihre
Nachbarorte zu werfen haben werden. Die florentinifche Malerei des iäaäläliäf
17. Jahrhunderts aber verläugnet ihre grofse Vergangenheit noch keineswegs.
Allerdings iPc ihr Einllufs auf die Gefammtkunft Italiens und Europas im Ab-
nehmen begriffen und kommt demjenigen, welchen die bologneüfche und felbfi
die neapolitanifche Malerei ausüben, nicht mehr gleich. Vielleicht hängt diefes
aber gerade mit dem Sinne für ruhiges Maafshalten zufammen, welches den
Florentinern von jeher eigen war und {ie auch jetzt nicht verliefs. Nicht, dafs
ihre Kunft {ich dem Streben nach naturaliflifcherer Auffaffung, nach colorifieri-
fcherer Behandlung, nach erregteren geiftigen Affecten, welches wir durch
Italien gehen fahen, ganz entzöge. Vielmehr werden wir die Entwicklung
des neuen Jahrhunderts in ihren Grundzügen auch hier derjenigen der übrigen
Landfchaften parallel gehen fehen. Aber die Uebertreibungen, von denen
wir weder die bolognefifche noch die neapolitanifche Schule, einfchliefslich
Caravaggids, immer freifprechen konnten, wiffen die Florentiner diefer Zeit
{o gut wie ganz zu vermeiden; befonders im Affect gehen He nie fo weit,
wie jene; und wenn {ie durch diefe weife Zurückhaltung auch um den Ruhm
kommen, zu den bahnbrechenden Schulen der neuen Zeit zu gehören, fo wird
die unparteiifche Nachwelt die Leiftungen der einzelnen florentinifchen Haupt-
meifier des I7. jahrhunderts doch gerade deshalb, an {ich betrachtet, keines-
Wegs geringfchätzen. Vor allen Dingen kehren auch die Florentiner jetzt
dem in unnatürlichem Linienpathos fchwelgenden Michelangelismus ihrer
Manieriften den Rücken. Sie Prudiren die Natur und fxe bilden zugleich den
Colorismus, zu dem fchon Andrea _del Sarto {ie hingeführt hatte, in einer eigen-
artigen, feurigen und weichen Weife aus, welche freilich bei einigen Meiftern,
ihrer geiftigen Auffaffung entfprechend, gerade hier in's Süfsliche und Senti-
mentale umfchlägt.
Den Uebergang bezeichnen MeiPrer wie Alqlfandvo Allah?) (1535 bis Ueäirigcijtätt
1607), der Schüler Angelo Bronzinds, der eben deshalb fchon oben (S. 8) Alßff- Allwi-
unter den Manieriften genannt worden ift. Charakteriftifch für feinen noch
ganz in der alten Auffaffung fteckenden jugendfiil ift die mit feinem Namen
I) Die älteßen Biographien der Horentinifchen Künßler des I7. Jahrhunderts bei Fil. linlzfi-
nurri, Notizie de' professori del disegno etc. Vol. I, Firenze 1681. Vol. II, 1636. Vol III
(poßhum), 1728. Vol. IV, 1688. Vol. V (pofthum), 1702. Vol. VI (poßhum), Firenze 1728, Der
dritte Band erfchien alfo erß zuletzt mit dem fechflzen. Baldinucci war 1696 geftorlaen. Iüngfte
Ausgabe, mit anderen Schriften Baldinuccfs, Mailand IS08-18I2. Dazu einige Daten in dem
WVerke "Reale Galleria di Firenze illustratam 3 Bände Stiche, 1 Band Text. Florenz 1Si2-2o.
2) ßaldinucci a. a. O. V, p. 182-186. Er hiefs mit vollem Namen Aleffandro di Chriflo-
fano di Lorenzo Allori und wurde als Schüler Bronzinds auch ndel Bronzinou genannt.