Volltext: Die Malerei von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. 3, Hälfte 1)

Sechstes 
Erfter 
Abfchnitt. 
Verläum- 
dungen. 
genügend erklären, ohne dafs wir anzunehmen brauchen, er habe perfönliche 
Beziehungen zu diefem Meifter unterhalten; ja, feine malerifche Auffaffung ift 
in ihrer? warmen, weichen, aber markigen Breite, trotz der gemeinfamen Vor- 
liebe für eine gewiffe Schwarzmalerei, von der glatten, plaftifchen Schärfe, mit 
welcher Caravaggio feine Geftalten hinzufetzen liebte, fo verfchieden, dafs eine 
eigentliche Schülerfchaft des jüngeren diefer Meifter bei dem älteren fich 
wenigftens aus technifchen Gründen kaum ableiten läfst. In der That ver- 
meidet Ribera innerhalb der kräftig-naturalifiifchen Richtung, welcher er huldigt, 
die Fehler, von denen wir Caravaggio nicht freifprechen konnten: er fafst die 
Charaktere mit der erflaunlichften Schärfe in allen ihren Einzelzügen auf ; er 
weifs den malerifchen Reiz, der flCh nicht nur den jugendfchönen, fondern 
auch den alten, verwitterten, von den Unbilden des Lebens durchfurchten 
Gefichtern, dem greifen Haar, den wallenden grauen Bärten, den hervortreten- 
den Sehnen und Adern abgewinnen läfst, mit der correcteften und doch zu- 
gleich keckften und Hüffigften Pinfelzeichnung, mit dem wunderbarflen, leuch- 
tendften Schmelze des Colorits und mit einer genialen Unterordnung unter 
die Gefammtwirkung wiederzugeben. Dafs er das Charakteriftifche in manchen 
Fällen dem Schönen vorzieht, wenngleich er wirklich fchöne Typen, befonders 
fchöne alte Männerköpfe, keineswegs verfchmäht, hat unfere zweite Hälfte des 
neunzehnten Jahrhunderts kein Recht mehr zu rügen; dafs er eine befondere 
Vorliebe für die Darftellung blutiger Schreckensfcenen habe, wie vielfach be- 
hauptet wird, wird niemand, der die Gefammtheit feiner Werke überblickt, 
aufrecht erhalten wollen, wenngleich fein Hauptwerk in diefer Richtung, die 
Marter des hl. Bartholomäus, der bekanntlich lebendig gefchunden wurde, dem 
Gefchmacke der Zeit fo entgegenkam, dafs er es mit einigen Veränderungen 
ein halbes Dutzend Mal wiederholen oder wiederholen laffen mufste; dafs er 
aber, wie er einerfeits die Ekftafe, die religiöfe Schwärmerei, die weltentrückte 
Seligkeit frommer Einfiedler in unzähligen Einzelgeftalten mit ergreifender 
Wahrheit dargeftellt hat, fo andererfeits auch die Marterfcenen, welche die 
Kirchenvorftände nun einmal gemalt haben wollten, mit dem Ausdruck fana- 
tifcher Peinigerwolluft in den Köpfen und Geberden der Henker und mit 
realiftifchem Schmerzenspathos in denjenigen der Gemarterten auszuftatten ver- 
Pcand, darin befteht gerade feine eigenthümliche, dämonifche Gröfse, in welcher er 
uns als Künftlerindividualitat ganz für flCh entgegentritt. Wer fo viel MeiPcer- 
fchaft der malerifchen Technik, wie Ribera fie vor allen Dingen in der leben- 
digen, vollen, kühnen und doch weichen Darftellung des nackten Fleifches 
zeigt, mit fo viel Leidenfchaft und Selbftändigkeit der geiftigen Empfindung, 
wie fie uns aus jedem Werke des Meifters anathmet, zu verbinden weifs, ift 
unter allen Umftänden ein Künftler erften Ranges. Dafs Ribera als folcher 
Neider hatte, ift felbflverftändlich; und dafs feine Neider den düflern Ernfi: 
mancher feiner Darfiellungen nur als Spiegelbild eines finfteren, egoiftifchen 
Charakters gelten laffen wollten, ift mindeftens erklärlich. Daher machten die 
offenkundig von Riberafs Gegnern beeinflufsten Berichterftatter, wie Dominici, 
ihn zum Mittelpunkte jenes wüften Treibens, welches felbft vor dem Morde 
nicht zurückfchreckte, um Meifter wie Guido Reni, Geffi und Domenichino aus 
Neapel zu vertreiben; daher liefsen fie ihn, den Spanier, nur zu feinem eigenen 
Seine 
Bedeutung. 
Seine 
Neider.
	        
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