Volltext: Die Malerei von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. 3, Hälfte 1)

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Buch. 
Sechstes 
Erßer 
Abfchnitt. 
und fo fand er den Uebergang zu feiner zweiten Art, deren Eigenthümlichkeit 
darin befteht, dafs fie durch grelle, in der Regel von oben einfallende Lichter und 
dunkle Schatten, die den Hintergrund oft in undurchdringliche Nacht hüllen, die 
Geftalten mit malerifchen Mitteln noch immer plaftifcher auf fich felbft zu ftellen 
fucht. Es ift eine einfeitig auf die Spitze getriebene und ficher nicht mehr 
vnaturaliftifchea, weil nicht mehr natürliche Weiterbildung des Helldunkel- 
princips Correggids, wie wir fie bei Rembrandt in einer anderen, an fich 
berechtigteren, malerifchen, weicheren und farbenglühenderen Art wiederfinden 
werden. Immerhin aber drückt Caravaggio den unruhigen, wilden Inhalt 
feiner eigenen Perfönlichkeit wie feiner meiften Darftellungen charakteriftifch 
durch jene Behandlung aus. Er packt uns und zieht uns in feinen Ideenkreis 
hinein; und das ift unzweifelhaft ein nidealesa Element in feinem leidenfchaft- 
lichen Formennaturalismus. In diefer neuen Art, die er jedoch nur allmählich 
 zu ihrer vollen Schärfe ausbildete, hat er feine meiften grofsen Kirchenbilder 
Eääziißig; gemalt. Hierher gehören zunächft die Matthäusbilder in der Kirche S. Luigi 
Sfräfcigii dei Francesi zu Rom, die Berufung des Apoftels und fein Martyrium, kräftige, 
1" Rom, derbe, reichlich mit Nebenperfonen aus dem Volke ausgeftattete Gemälde, 
welche noch in diefer Kirche zu fehen find, während das zu ihnen gehörige 
Altarbild, welches die mit übereinandergefchlagenen Beinen dafitzende über- 
lebensgrofse Geftalt des Heiligen darftellt, dem fein Engel die evangelien- 
fchreibende Hand führt, fclion bald, nachdem es gemalt war, von feinem 
irglljgllgfr heiligen Platze entfernt wurde und fich jetzt im Berliner Mufeum befindet. 
Jenen Matthäusbildern fchliefsen die Fresken der Bekehrung Pauli und der 
igelsfääijä Kreuzigung Petri in S. Maria del Popolo fich an. Dem Altarbilde des Todes 
z" Rom Mariae aber, welches er für die Kirche della Scala jenfeits des Tiber gemalt 
hatte, erging es wie dem Altarbilde in S. Luigi. Die Geiftlichkeit verwies es 
von der heiligen Stätte; und jetzt gehört es zu den packendften, wenngleich in 
 der That nicht zu den erfreulichften Bildern des Louvre zu Paris. In die 
g; feirlffgtri: Reihe diefer DarPcellungen des Meifters gehören ferner idas Gafimahl zu 
ialäreiään Emmausa in der Londoner Nationalgalerie, die Grablegung Chrifii im Berliner 
in wienIMufeum, die Madonna vom Rofenkranz in der kaif. Galerie zu Wien, die 
in MünßhenaDornenkrönung in der Münchener Pinakothek, die Bekehrung Pauli im Pal. 
i1fiä2:e"Balbi-Pi0vera zu Genua, die Auferweckung des Lazarus im Pal. Brignole, die 
Paläßem Verleugnung Petri, ein mit Vorliebe vom Meifter wiederholter Gegenfiand. im 
Pal. Marcello Durazzo derfelben Stadt, die Kreuzigung Petri in der Eremitage 
i" Stgfrßgiers" zu St. Petersburg und die hl. Familie der Galerie Borghefe zu Rom; in Rom aber 
igoijigäi vor allen Dingen die berühmte grofse Grablegung der vatikanifchen Galerie, 
 ein Werk, über deffen derbe Auffaffung es leicht ift, {ich zu beklagen, deffen 
{ligeusgrßlilä ernPrer, furchtbarer Wahrheit. im Schnierzensausdruck es aber fchwer ift, zu 
Varican. widerftehen (Fig 463). Jede einzelne Geftalt fcheint etwas eckig oder gefpreizt 
dazufiehen; die ganze Gruppe aber fchliefst fich, wenn auch Weder fymmetrifch. 
noch pyramidal, doch zu einheitlichem, feftgefügtem Ganzen zufamnien. In 
feiner Art iPt es ein grofses, jeden Unbefangenen mächtig feffelndes Meifter- 
Werk. In den Kirchen Neapels und Siciliens, fowie in verfchiedenen Samm- 
lungen Europas haben fich noch verfchiedene geifiliche Bilder von Caravaggids. 
Hand erhalten; doch können wir nur noch auf zwei ganz genrehaft wirkende
	        
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