Volltext: Die Malerei von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. 3, Hälfte 1)

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Sechstes 
Buch. 
Erfier Abfchnitt. 
konnte jetzt daher nach Rom entweichen. In offenem Ruderbote unternahm 
er die Flucht von Neapel nach Rom. Unterwegs landete er jedoch einmal. 
Bei diefer Gelegenheit wurde er noch auf neapolitanifchem Gebiete verhaftet. 
Als man ihn freiliefs, fand er, dafs fein Boot mit feiner ganzen Habe geraubt 
Sein Ende. fei. Ein hitziges Fieber ergriff ihn. Mühfam fchleppte er fich bis Porto d'Er- 
cole, wo er, von aller Welt verlaffen, feinen unruhigen GeiPc aushauchte. Er 
war nur vierzig Jahre alt geworden. 
SeineWei-ke. Gleichwohl hatte er, fiirqehtbar wie er war, in Rom, Neapel, Malta und 
Sicilien eine grofse Anzahl von Werken hinterlaffen, von denen viele fpäter 
ihren Weg in öffentliche Sammlungen Europas fanden, fo dafs es nicht eben 
emäexiggiffh fchwer ift, feine Kunftweife kennen zu lernen. Die Wandlung, welche feine erfte 
von feiner zweiten Art trennt, vollzog fich fchon während feines Aufenthaltes 
in Rom. Seiner erfien Weife gehören zumeift Sittenbilder, Scenen aus dem 
Seigfläjfm?" Volksleben, an. Vereinzelt hatten fchon frühere Meifler fich in folchen lebens- 
grofsen Genrebildern verfucht. Man denke nur an das wundervolle Concert- 
Ptück des Pal. Pitti, welches von Giorgione oder Tizian herrührt (oben Bd. II, 
S. 728 bis 729 und S. 746 Anm. 3)! Caravaggio aber war der erfte Italiener, 
der diefen Kunftzweig mit Bewufstfein zu feinem Hauptfache machte; wenn 
in den Niederlanden auch Meifter wie Q. und Jan Maffys (oben Bd. II, S. 513), 
P. Aertfen, Hemefsen und Beukelaar (oben S. 60_64) auf diefem Gebiete 
vorangegangen waren, fo hat Caravaggio {ich doch unabhängig von ihnen ent- 
wickelt; und gerade gegenüber der mehr oder weniger banaufifchen oder doch 
fpiefsbürgerlichen Auffaffung, welche die grofsen Genrebilder diefer nieder- 
ländifchen Meifter des I6. Jahrhunderts zeigen, fcheint feine Sittenmalerei 
fchon durch die romantifche Wahl feiner Stoffe auf einem höheren Boden zu 
Egge? flehen. Prüfen wir nur einige diefer frühen Bilder des Meifters darauf hin! 
äälfljäläää, Da ift die vWahrfagerin mit dem Jünglinge in der capitolinifchen Galerie zu 
Rom, ein Bild, welches fofort unfere Einbildungskraft gefangen nimmt, weil 
wir in den begehrlichen Augen der Schönen noch etwas anderes, als gefchäfts- 
 mäfsige Wahrfagerei entdecken; da ift die berühmte Darftellung der äfalfßhen 
Sciärgagu Spielera im Pal. Sciarra zu Rom, welche uns, indem fie uns zeigt, wie der 
Rem- liebenswürdige Sohn vermögender Eltern von zwei Gaunern im Kartenfpiel 
betrogen wird, einen Blick in das römifche Leben jener Tage thun läfst; da ift 
 die entzückende Lautenfpielerin der Galerie Liechtenftein zu Wien (Fig. 462), ganz 
z" wie", Leben und Wahrheit und zugleich ganz fOnnige und helle Peefle, wie fle die 
Niederländer erft viel fpäter in ihren Genrebildern auszudrücken gewagt haben. 
Caravaggids wLautenfpielerina ift die Stammmutter aller ähnlichen, felbft der 
 in 4.„ viel kleineren Darftellungen, welche die Niederländer im Laufe des 17. Jahr- 
EÄTEÜFC hunderts und bis ins 18. hinein fchufen. Ihr reihen z. BQnoch der ßLauten- 
Pfäfriläfägdpielere in der Eremitage zu St. Petersburg, die Muflkergruppe beim Lord 
äslibozfägllAshburton in London und das feine Selbftbildnifs des Meifters in den UfHzien 
Uggziignw fich an. Von feinen religiöfen Darftellungen aber gehört die von Anderen 
imlflffgzfia feinem Schüler Carlo Saraceni zugefchriebene fchöne bRuhe auf der Flucht naeh 
Uzäelfgazäb Aegyptem mit dem geigenden Engel im Pal. Doria zu Rom hierher; und an 
22175112? der Grenze feiner zweiten Periode ftehen die beiden geiftvollen allegorifchen 
Mufeum. Gemälde des Berliner MufeumS, VOH denen ClHS eine die ungezügelte irdifche
	        
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