Die
Malerei
italienifche
Jahrhunderts.
Michelangelo
Meriü
Caravaggi o
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die feinen allerdings unmittelbar dem Leben und derWirklichkeit entlehnt zu fein.
Allein diefer vNaturalismusrr ift doch weit entfernt von demjenigen der modernen
ßlmpreffioniftenß Der Schwerpunkt liegt bei ihm gar nicht darin, die Dinge 13165533: in
fo zu malen, wie f1e find, fondern wie er fle fah; und auch fein leibliches demfelben-
Auge wurde noch mächtig genug von feinem geiftigen Auge beeinflufst, um
ihn die ,Welt in einem eigenartigen künftlerifchen Lichte erfcheinen zu laffen.
Nicht nur zeigt fich das in dem feelifchen Intereffe, mit Welchem er auch
feine fchlichten Volksfcenen belebt, nicht nur in dem leidenfchaftlichen, er-
fchütternden Schmerzenspathos, mit dem er feine meiPt der Leidensgefchichte
entlehnten religiöfen Stoffe erfüllt, nicht nur in dem ergreifenden, zum Nachdenken
mahnenden poetifchen Gedanken, den er einigen allegorifch-mythologifchen
Bildern eingehaucht hat, fondern auch oft genug in feiner energifchen Formen-
gebung und Linienführung, der es wenigflens nicht immer an Abrundung und
Ueberlegung fehlt, und ftets in feiner Farbengebung, die in die Mehrzahl feiner
Bilder ein poetifch befeelendes Element von eigenartigem Zauber hineinbringt,
ja ihn oft geradezu, wie fpäter Rembrandt, als fubjektiven Farbenidealifien
erfcheinen läfst. Doch laffen fich gerade in diefer Beziehung deutlich zwei beiääijnrßstik
verfchiedene Epochen feiner Kunftübung unterfcheiden. Wir müffen daher Epochen.
zur Befprechung feines Lebens und feiner Hauptwerke übergehen.
Michelangelo Merifi war 1569 zu Caravaggio, einem zwanzig Kilometer Sein Leben.
füdlich von Bergamo gelegenen Marktflecken geboren und wird nach feinem
Geburtsorte in der Regel kurzweg Caravaggio genannt. In Mailand foll er
die Anfänge feiner Kunft gelernt haben. Dann hat er fich offenbar zunächft
als Autodidakt weitergebildet; als folcher foll er fich in Venedig Giorgione
zum Vorbild genommen haben; und in der That Hng er bald darauf in Rom
an in einem Stile zu malen, deffen blonder Golclton an den grofsen Meifter
von Caftelfranco erinnerte. In Rom, wo er einige Monate fogar bei feinem
vollllen Gegenfüfsler, dem Cavaliere d'Arpino (oben S. I4) arbeitete, mit dem
er fich auf die Dauer natürlich nicht vertrug, ging es ihm übrigens fchlecht,
bis der Cardinal del Monte flch feiner annahm. Dann folgten eine Reihe guter
Jahre, die ihm jedoch durch die höhnifche Gegnerfchaft, die feine Kunftrichtung
ihm neben leidenfchaftlicher Bewunderung eintrug, vielfach verbittert wurden
und fchliefslich mit einem grellenMifston abfchloffen, als er 1606 wegen einer
Blutfchuld, die er auf {ich geladen, aus Rom entfliehen mufsteJ) Das Gerücht
wollte wiffen, dafs fchon feine frühere Ueberfiedelung von Mailand nach
Venedig einen gleichen Grund gehabt habe; und als er von Neapel, wo er
nach feiner Flucht aus Rom eine Zeitlang gearbeitet hatte, nach Malta,
dann von Malta nach Sicilien reifte und fchliefslich von Sicilien nach Neapel
zurückzog, waren es in der Regel wieder feine Reibereien mit Rittern oder
feines Gleichen und in Folge deffen mit den Behörden, die ihn VOII Oft
zu Ort trieben. Um 1609 hatte er fich auch in Neapel wieder unmöglich
gemacht. Da traf ihn die Nachricht, dafs der Papft ihn begnadigt habe" ET
l) WVie oft er vorher in Rom mit den Gerichten in (lonflict gekommen, ifl aktenmiifsig feflgeftellt
bei Brr!0Zollz' a. a. O. II, p. 49-76. Dafs Michelangelo da Caravaggio bis 1606 in Rom gewefen,
geht aus den hier veröffentlichten Urkunden unwiderleglich hervor. Alle feine Erlebniffe in Neapel,
in Malta und Sicilien haben {ich daher in den drei folgenden letzten Jahren feines Lebens abgefpielt.