Volltext: Die Malerei von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. 3, Hälfte 1)

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Sechstes 
Buch. 
Erfter Abfchr 
leichter Erfindungsgabe und ebenfo leichter Hand Pur die ganze Welt eine 
grofse Anzahl von Gemälden, hauptfachlich religiöfen Darftellungen und 
Bildniffen, ausführte, denen wir immer noch ihre Fehlerfreiheit, Reinheit 
Sßinsßil- und äufserliche Anmuth nachempfinden, wenngleich wir fie in ihrer flüchtigen 
Glätte, ihrem Mangel an jedem Eigenleben, ihrer Farbenmattigkeit und ihrem 
hergebrachten Empfindungsausdruck fchon wieder entfchieden für Epigonen- 
arbeiten vom reiniten Waffer anfehen müffen. Ein gefchickter Künftler aber 
war Maratta in jeder Hiniicht; und dafs er auch ein tüchtiger Refiaurator war, 
zeigt feine Wiederherftellung der Stanzenbilder Raphaels, die ihren jetzigen 
Zuftand im wefentlichen feiner Hand verdanken. Sind die Sockelbilder doch zum 
Sfxifätllfiiüfe Theil von Maratta neu gemaltl Von feinen aufserordentlich zahlreichen 
eigenen Bildern feien vdie Taufe Chriftir in S. Maria degli Angeli, vMaria 
und die vier Kirchenväterrc in S. Maria del Popolo, vder hl. Carl in der 
Glorier in S. Carlo al Corfo, wder Tod des hl. Xaveriusr in der Jefuitenkirche, 
vdie Madonna mit dem fchlafenden Kinder im Pal. Doria, wdie Malereirr mit 
den Zügen feiner! Tochter Fauftina im Pal. Corfini, das Porträt eines Cardinals 
im Pal. Sciarra zu Rom, die Marter des hl. Blafius in S. Maria di Carignano 
nö'glilflln_de' zu Genua erwähnt. Nördlich der Alpen ift die Eremitage zu St. Petersburg am 
reichften an Werken feiner Hand; aber auch die Louvrefammlung, die Caffeler 
Galerie, die Münchener Pinakothek und die Dresdner Galerie befltzen mehrere 
Bilder Marattafs; in der zuletzt genannten Sammlung iit die Maria mit dem 
Chrifiuskinde, welches auf Stroh in der Krippe ruht, in der Berliner Galerie 
ein vortreffliches, 1663 gemaltes Brufibild eines jungen Mannes hervorzuheben. 
Maratta hat auch eine Anzahl eigener Compofitionen klar und lebendig radirt. 1) 
Alles in allem erfcheint er im wefentlichen als einlNachfolger und Nachahmer 
Guido Renis. 
 Ein anderer, Maratta parallel gehender, einige Jahre jüngerer, aber ebenfo 
Cäffäfm langlebiger Meifier hingegen, der Graf Carlo Czlgzzalzi (1628-1719), war noch 
Sein Lebcn- ein directer Schüler Albanisßl) Bolognefer von Geburt und während des 
gröfsten Theiles feines Lebens trotz vieler auswärtiger Verpflichtungen auf s 
engfte mit feiner Vaterftadt verbunden, ifl er der letzte bedeutende Vertreter 
der eigentlichen Schule von Bologna; und kaum einer feiner grofsen Vorgänger 
ift von den Fürften ganz Europas und von feinen Mitbürgern fo ausgezeichnet 
worden, wie er. Erhob Papft Clemens XI. ihn doch in den Grafenfland und 
ernannte er ihn doch ausnahmsweife zum lebenslänglichen rPrinciper der 1709 
gegründeten Accademia Clementina, obgleich deren Leiter nach ihren Statuten, 
 die alfo erft nach Cignanfs Tode in Kraft traten, alljährlich zu wechfeln 
hatten. In der That war Cignani ein aufserorclentlich begabter Meifter, in 
dem alles, was die Carracci gewollt hatten, noch einmal verkörpert erfchien. 
Sein Sril- Er ift fchwungvoller, farbenfrifcher und eingehender, aber weniger formenrein, 
als Maratta; er ift ein Eklektiker von grofser Einficht und Vielfeitigkeit; aber 
der Fluch des Epigonenthumes heftet flch doch auch ihm an die Ferfen; die 
cav. Conte Carlo Cignani und C1; T ardini , Vita di 
del1' Accademia Clementjna di Bologna. Bologna 1739. 
1) Bartfch XXI, p. 89-96. 
2) Ijßp. Zanrlli: Vita del gran pittore 
Cignani, beide Bologna 1722. Zanalri, Storia 
Vol. I, p. 135-164,
	        
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