Fünftes
Buch.
Malerei
Hälfte
Jahrhunderts.
motiven, denen {ie entfprachen; daher das Spiel mit dem Helldunkel Correggids
ohne deffen zauberduftige Geiftesftimmung. Ueberall fehlt die Frifche; überall
merken wir die Abficht; überall werden wir an längft bekannte ältere Künft-
werke erinnert; und trotz der warmen Färbung, die wenigltens einige der
Manieriften erftreben, ift ihr Gefammteindruck kalt und langweilig; trotz ihrer
forgfaltigen Compofitionsftudien erfcheint ihre Anordnung fchablonenhaft und
conventionell; trotz ihres bewufsten Strebens nach Ausdruck haftet ihnen eine
erfchreckende geiftige Leere an. Sie verfügen über eine bedeutende malerifche
Wliechnik und über eine grofse Leichtigkeit der Hand; aber ihren hiftorifchen
Compofitionen läfst {ich in der Regel doch alles andere eher nachrühmen, als
malerifcher Reiz. Nur wo iie gezwungen flnd, {ich einfach an die Natur zu halten,
wie im Bildnifsfache, tritt ihre bedeutende Auffafftmgsgabe und ihre glänzende
Technik unverfälfcht zu Tage; und gerade ihre Bildniffe zeigen uns, dafs manche
von ihnen von Haus aus begabter lind, als viele der früheren, aufftrebenden
Meifter, denen fle in unferer Werthfchätzung nur deshalb nachftehen, weil der
Fluch des Epigonenthumes, der auf ihnen laftete, ihnen keine felbftändige, freiere
Regung geftattete.
{Zfafäeärgr Die italienifche Kunfl behauptete in der zweiten Hälfte des I6. Jahrhunderts
iralggilfälfß" fiegreich die Vorherrfchaft, die {ie ihren Grofsthaten in deffen erfter Hälfte ver-
dankte. Ganz Europa beugte fich unter ihr Joch, wenngleich fich gleichzeitig
in Frankreich, in Spanien und vor allen Dingen im germanifchen Norden fchon
die Regungen der nationalen Richtung verfolgen laffen, die im I7. Jahrhundert
in diefen Ländern fo glänzend ihr Haupt erheben follte. Die lVIeifter, welche
die Zeit felbPc am höchften fchätzte, waren überall die Nachahmer der Italiener;
und je Weiter entfernt Iie vom Heerde der italienifchen Grofskunft wirkten, je
verfchiedener alfo auch ihr angeborenes Empfinden von demjenigen der Italiener
war, defto unangenehmer trat ihr Manierismus zu Tage. Die Italiener felbft
fuhren in diefer Beziehung daher noch am beften; doch Nachahmung ift Nach-
ahmung; und eine abgeleitete Kunit ift die ihre in diefem Zeitraum fo gut wie
diejenige der übrigen Völker. Nur werden uns in allen italienifchen Schulen
diefer Zeit noch einzelne Meifter begegnen, die, ohne dem Gefammtcharakter
der Zeit untreu zu werden und ihre grofsen Vorbilder zu verleugnen, doch
eine felbfländige. Bedeutung beanfpruchen können; und eine italienifche Schule,
die venezianifche, einfchliefslich der veroneflfchen, ift überhaupt als Ausnahme
zu bezeichnen. Aus Gründen, die fpäter erörtert werden müffen, erlebt fie in
der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts unter Tintoretto und Paolo Veronese
eine neue Blüthe, deren frifchefte Schöpfungen die höchiten malerifchen Leiftungen
der Zeit waren und zu den höchften aller Zeiten gehören.
361131916" Uebrigens kam es nur einzelnen Kennern in diefer Zeit zum Bewufstfein,
Müll"- dafs die Kunft im Verfall War; im allgemeinen wurden die Meifter diefer Tage,
auch die manierirteften, ja, diefe oft am meiften, von ihren Zeitgenoffen mit
Beifall überfchüttet, und ihre Werke wurden von den Stechern über die ganze
Welt verbreitet. Hatten die grofsen Vollender der Kunft die Welt doch daran
gewöhnt, bewundernd zu den Künftlern aufzufchauen und das Bedürfnifs geweckt,
fich durch die Schöpfungen des Pinfels dem Staube des täglichen Lebens
entrücken zu laffen! Die Meifter hatten es alfo gut. Ueberall gab es vollauf