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Buch.
Sechstes
Erßzer Abfchnitt.
Schüler Francesco Albano zu überlaffen. Von innerer Unruhe getrieben, reifte
er 1609 nach Neapel, kehrte aber von dort in der fchlimmften Malaria-Zeit
nach Rom zurück, WO er denn auch am I4. 0d. I5. Juli desfelben Jahres der
heimtückifchen Krankheit erlag und im Pantheon neben Raphael beigefetzt wurde.
Ludovico, Agoftino und Annibale waren übrigens nicht die einzigen An-
gehörigen der Familie Carracci, welche Künftler Wurden. Auch Ludovicds
Clgjfilgci Bruder Pzwlo, Annibale's und Agoftinds Neffe Frarzcesco (1595-1622) und
Erjrtäägß Agoflinds natürlicher Sohn Anionzb Czzrmcci (1583-1618) waren Maler. Nur
auf den letzteren können wir etwas näher eingehen. Er malte Fresken z. B.
iim S. Bartolommeo all' Isola und im Quirinal zu Rom, Oelbilder im Auf-
trage verfchiedener Cardinäle; und durch Malvafia 1) beglaubigt erfcheint
feine iStindflutha im Louvre, eine Darftellung, die das Lob, welches die Zeit-
genoffen feinem Streben und die Klagen, welche fle feinem frühen Tode
3er widmeten, begreiflich erfcheinen läfst. Was die drei grofsen Carracci aber
geleiftet und gelehrt, ift auf manchen Gebieten an zweihundert Jahre lang
mafsgebend geblieben und hat fortgewirkt, bis die vmodernea Malerei feit
dem Ende des vorigen Jahrhundert zunächft auf die xAntikev im {trengeren
Sinne, fodann aufs Mittelalter und Quattrocento, endlich auf die Natur fßlbfl
zurückgriff
Die
Schule
der
Carracci
und
ihre
Ausläufer.
Unter den aufserordentliich zahlreichen Schülern, Welche aus der Akademie
der Carracci hervorgegangen, und unter ihren Nachfolgern, welche in loferer
Beziehung zu ihnen geftanden, haben {ich fünf einen gewiffen Weltruf zu er-
ringen verftanden: Guido Reni, Albani, Domenichino, Lanfranco
und Guercino.
10 Reni. Guido Rmi war der ältefie und, alles in allem genommen, auch der be-
gabtefte von ihnen. Sein Name gehört noch immer zu den bekannteften und
gepriefenften der Welt; und wenn wir heute auch nicht umhin können, der
grofsen Mehrzahl feiner Schöpfungen eine gewiffe Oberflächlichkeit und Schlaff-
heit zuzuerkennen, fo werden wir feiner vielfeitig glänzenden Begabung, feiner
anmuthigen Eriindungsleichtigkeit, feinem durch das Studium der antiken Plafiik
geläuterten Schönheitsgefuhle und felbft der elegifchen, wenn auch leider oft
allzu fentimentalen Weichheit feines Gefühlsausdrucks doch nach wie vor
unfere Anerkennung nicht verfagen. Uebrigens vernachläffigte er fich in
feiner Jugend weit weniger, als in feinem Alter, und erft in feiner letzten
Lebenszeit fetzte er Werke in die Welt, die uns fchlechthin ungeniefshar find.
Jääizz. Guido wurde am 4. Novemher 1575 als Sohn des Mufikers Daniele Reni in
Bologna geboren, kam in feinem neunten Lebensjahre zu Dionigi Calvaert (oben
S. I6) in die Lehre und machte hier fo rafche Fortfchritte, dafs er fchon in feinem
dreizehnten Jahre die Arbeiten feiner Mitfchüler corrigiren durfte. Der fteigende
Ruf der Akademie der Carracci aber liefs ihm keine Ruhe. Noch ehe er fein
zwanzigites Lebensjahr vollendet hatte, verliefs er Dionigi und trat als Gehülfe
Sein Kunß-
Charakter.
1) a. a. O. I, p. 521.
2) Literatur oben, S. 117,
Anm.