Volltext: Die Malerei von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. 3, Hälfte 1)

Sechstes 
Buch. 
Abfchnitt. 
Erfter 
fo darf man dem gegenüber nicht vergeffen, dafs die Wuchtigeren Formen der 
umrahmenden Decoration ebenfalls in den Gemälden energifche Umriffe ver- 
langten; und wenn die Färbung der einzelnen Bilder etwas ungleich erfcheint 
und nicht von allen die gleiche Frifche und Wärme ausiirahlt, fo mufs man 
bedenken, dafs auch die Farbe {ich mit der Rolle zu begnügen hatte, die ihr an 
jeder Stelle innerhalb der Gefammtdecoration zukam. Im Ganzen aber ift das Werk 
von feiner coloriPcifchen Seite ebenfowohl als von der Seite der F ormengabe 
eine decorative Prachtleißung erften Ranges; und die Nachwelt wird den 
Palazzo Farnefe in Rom  der zur Zeit leider fo gut wie unzugänglich ift  
nach wie vor zu den Wallfahrtszielen aller Künfiler und Kunfifreunde rechnen, 
welche fich an malerifchen Gefammtwirkungen einheitlich gefchmückter Binnen- 
räume erfreuen wollen. 
Gemeinfam haben die Carracci nach diefer Zeit nicht mehr gearbeitet. 
Agoftino fiarb, wie wir fehen werden, bald nachdem er Rom verlaffen, Annibale 
bald nachdem er die Fresken im Palazzo Farnefe beendet. Ludovico, der ältere, 
 überlebte fie beide. Gehen wir alfo zur Betrachtung der Einzelleifiungen der 
 drei Meifier über! 
Ludoyico. Ludovico fteckt in feinen früheren Werken theils noch am meifien in der 
Sem      1 
Jngendftil. alten Manier, theils am unbedingtefien 1m Banne Correggios und Parmeg- 
gianinds; in den Arbeiten feiner mittleren Zeit erfcheint fein Eklekticismus oft 
an unvermittelften und unabgeklärteften, und zugleich kennzeichnet fie ein 
Streben nach wuchtigen Formen, ohne dafs er ihnen wirkliche innere Gröfse 
zu geben verfianden hätte; erft in den Gemälden feiner letzten Epoche ift er, 
langfam wie er war, zu innerlicherer Harmonie und echterer Gröfse hindurch- 
gedrungen. In der malerifchen Technik wies er hauptfächlich auf Correggio 
hin, deffen Helldunkel er, wenn auch gemäfsigt, feiner ganzen Schule mittheilte. 
verf,(jßen_ Im Verfahren {fand er jedoch auf eigenen Füfsexi. Durch ihn kam der dunkle, 
 braunrothe Bolusgrund auf, auf dem er die Fleifchtöne blaugrau untertufchte, um 
die Modellirung einfarbig auszuführen und mit forgfältiger Lokalfarbenlafur zu 
vollenden.') Der colorifiifche Gefammteindrnck feiner Werke ifi in Folge 
deffen einheitlich und warm, nicht ohne eine gewiffe Leuchtkraft, aber auch 
nicht ohne eine gewiffe Schwere, die Ludovico in allen Stücken anhaftete. 
Seine Von den erfien Fresken des Meifiers hat {ich wenig erhalten. Deutlich 
Jugielilddbeiidir aber tritt uns {ein Jugendfiil in zwei Altarblättern entgegen, welche fich jetzt 
zliilngiifrigria in der Pinakothek von Bologna befinden; das eriiere, welches vLudovico Car- 
racci 1588m bezeichnet ifi, {tellt die thronende Madonna dar, von vier Heiligen 
 mit den Zügen der Angehörigen der Stifterfamilie Bargellini in lebhafter Be- 
wegung knieend verehrt, von Engeln mit ausgeprägt correggesken Typen um- 
Hattert und umfpielt; das andere zeigt die Madonna, wie {ie als Sinnbild ihrer 
unbeHeckten Empfängnifs auf dem Monde fieht, neben ihr in ekfiatifcher Be- 
wegung den heiligen F ranciscus, unter ihr Hieronymus; es iPt ein Bild, welches 
feiner Zeit fehr bewundert und in der That in manchen Beziehungen ton- 
angebend für die neue Richtung wurde. In dem letzten Jahrzehnte des Jahr- 
Die Einzel- 
leiflungen 
der drei 
Carracci. 
Ludovico. 
Sein 
Jugendftil. 
Sein 
Verfahren. 
I) H. Äuzfütnlg. 
Leipzig 1876, V. 251 
Ueber die Grundfütze 
 2 5 2. 
das Verfahren 
der Oelmalerei 
clafüfclmen Meifter,
	        
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