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Buch.
Sechstes
Erfter Abfchnitt.
dem Zufammenhange der Einzelbilder unter fich, fo müffen wir bedenken, dafs
es einen heiteren Feüraum feftlich heiter zu fchmücken galt. Die Künfiler
find daher auch gewifs keinen Augenblick im Zweifel darüber gewefen, dafs
fie den Stoff für ihre Gemälde der ewigjungen Fabelwelt der griechifch-römifchen
Mythologie entlehnen müfsten; fie wählten die Liebesgefchichten der alten
Götter und Göttinnen. Wenn hier und da auch ein idyllifches Vorfpiel
(Hermes bringt Paris den'Apfel) oder ein blutiges Nachfpiel (Perfeus ver-
nichtet auf feiner Hochzeit mit Andromeda deren früheren Verlobten Phineus
und deffen Gefährten durch das Medufenhaupt) mit dargeftellt iPt und wenn die
Gelehrten, wie Giov. Batt. Agucchi, der den Meiftern mit feinem literarifchen
Rath zur Seite ftand, fich auch bemühten, eine moralifche Allegorie in das
Ganze hineinzudeutenl), fo waren die Liebesgefchichten doch der Kern, um
den es den Künfilern zu thun war. Das Hauptbild in der Mitte der Decke
Dpr Hßßh- ftellt den Hochzeitszug des Bacchos und der Ariadne dar. Auf zwei Wagen
zeitszug des
fahren die herrlichen, jugendfchonen Gottheiten neben einander her; derjenige
'der Ariadne wird von Ziegenböcken, derjenige des Bacchos von Panthern
gezogen; jubelnd begleitet fie ihr lärmendes, bewegliches Gefolge von Satyren,
Silenen, Bacchantinnen und Nymphen. Die fchönen Leiber athmen Kraft und
Feuer. Die Compofition ifi klar, frifch und lebendig; das grofse breite Bild
ift Annibale's Meifierwerk und wurde ein Vorbild der zahlreichen gröfseren
und kleineren Bacchuszüge, an denen das fiebzehnte Jahrhundert im Norden
wie im Süden der Alpen fo reich ift. Zu feinen Seiten befinden fich die
fchmaleren Darfiellungen, wie Hermes dem Paris den Apfel bringt und wie Pan
der Artemis feine Wolle opfert. Das fchönfte Bild aber, welches Agojiino in diefem
Saale gemalt, (Fig. 451) zugleich in manchen Stücken das fchönfte des ganzen
Cyklus, ift das Mittelbild der einen Langfeite (an der Uebergangsrundung der
Decke zu den Wänden), Welches den Triumph der Galatea darfiellt, wie f1e in
den Armen eines Meergottes, von Delphinen und Liebesgöttern, von Tritonen
und Nereiden geleitet, über's blaue Meer dahinzieht; es ifi eine Compofition
von einer Fornien- und Farbenfchönheit, die halb an Raphael, halb an Paolo
Veronefe mahnt. Auch das Gegenftück diefes Gemäldes an der Mitte der gegen-
überliegenden Langfeite, welches darfiellt, wie Aurora auf ihrem Wagen den
ägggiflf: geraubten Cephalus umarmt, rührt von Agofiino her, ifi jedoch etwas plumper in
den Formen und fchwerer in den Farben. 9) Zu Arzniönlelv ferneren Hauptbildern
vä2niä11ti:r_ aber gehören die vier Hochbilder zu beiden Seiten diefer Breitbilder Agofiinds:
liebesfcenen. Hera am Liebeslager des höchften Gottes (Fig. 452), Anchifes im Begriffe,
Aphrodite zu entkleiden, Artemis, wie fie den fchönen Endymion umarmt, und
Herakles in den Banden der Omphale. Diefen Bilderreihen entfprechen an den
P2231132; Schmalfeiten der Deckenrundung die beiden Polyphembilder, über denen die beiden
13321;? kleineren Darfiellungen, w der Adler C168 Zeus mit Ganymedesa und xApollon mit
lungen. Hyakinthosr, den Uebergang zum Deckenfpiegel bilden. Die eigentlichen Wände
befchränken fich an den Langfeiten, von kleineren malerifchen Zuthaten
I) ffelmri, a. a. O. p. 65 und llfalwzßa, a. a. O. p. 4.40 fügten ihrem Bericht einen eigenen
Abfchnitt unter der Ueberfchrift: uAllegoria delle Favoleu ein.
2) Die Originalcartons zu diefen beiden Hauptbildern Agofiinds in der Galerie Farnefe befinden
{ich in der Nationalgalerie zu London.