Volltext: Die Malerei von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. 3, Hälfte 1)

Sechstes 
Buch. 
Erfler Abfchnitt. 
Annibale, die Söhne des angefehenen Schneidermeiiters Antonio Carracci, der 
ein rechter Vetter von Ludovicds Vater Vincenzo war, für feine neuen 
Grundfätze zu begeiftern, Welche Studium und Uebung an die Stelle manieri- 
{tifcher Handfertigkeit, Wahrheit an die Stelle der conventionellen Lüge fetzten. 
 Agojiizzo Czzrraccz" war 1 5 5 7 geboren und hatte, nachdem er urfprünglich in einer 
Studssigang Goldfchmiedewerkftadt die Handhabung des Stichels erlernt, die Schulen Profpero 
'Fontana's, Bart. Pafferottfs und Dom. Tibaldfs (oben S. 16) durchgemacht. 
 Almibale Carraccz" war 1560 zur Welt gekommen, und Ludovico foll ihn von 
 Anfang an bei {ich behalten haben; doch wird nicht gefagt, unter weffen 
Leitung er während deffen Wanderzeit geftanden. Genug, die drei Carracci 
fanden {ich zu gemeinfamem Weiterftreben zufammen, und ihre verfchiedenen 
Naturanlagen ergänzten fich aufs glücklichfte, um ihr Zufammenarbeiten frucht- 
bringend für fich und ihre Schüler zu machen. Ludovico machte die ein- 
 gehendften technifchen Studien und Verfuche, Agoftino wufste die gründlichften 
wiffenfchaftlichen und poetifchen Studien mit feiner Kunft zu vereinigen, Anni- 
 ball aber war der fruchtbare Praktiker, der fxch fogar den Anfchein zu geben 
liebte, als verachtete er die gelehrten Kenntniffe feiner Brüder. Grofse 
Talente aber waren {ie alle drei. Ludovico forgte zunächPc dafür, dafs feine beiden 
Vettern, wie er felbft es gethan, Cor-reggio und die Venezianer an den Quellen 
kennen lernten. Annibale reifte 1580 nach Parma ab; Agoftino folgte ihm im 
nächften Jahre; _von Parma gingen die Brüder nach Venedig; und im Jahre 
1582 kehrten fle nach Bologna zurück. Ludovico nahm {ie mit offenen 
Armen auf; und da {ie {ich inzwifchen alle drei durch eigene Arbeiten  
wir werden {ie fpäter kennen lernen  bereits bekannt, ja trotz der heftigen 
Anfeindungen der alten Manieriftenfchulen einen guten Namen gemacht hatten, 
Grääeung fo hielten f1e jetzt die Zeit für gekommen, felbft eine Schule zu eröffnen, 
äieizifäizii in welcher {ie ihren Grundfätzen theoretifch und praktifch. Geltung zu ver- 
zltlwgrglrgigunfi fchaffen hofften. Sie gaben ihr den Namen einer vAccademia degh Incammi- 
'nati((, d. h. der Akademie der auf den (rechten) Weg Gebrachten; 1) und diefe 
Dtifngleigräill- Kunftfchule ift das Vorbild aller fpäteren Kunftakademien im Sinne wirklicher 
Academie. Lehranftalten der bildenden Künfte geworden. Die Lehrmittel, deren fxe {ich 
bedienten, waren fo ziemlich diefelben, die unferen Akademien heute noch zur 
Verfügung ftehen. Für männliche und weibliche lebende Modelle wurde mit 
derfelben Sorgfalt geforgt, wie für Leichen zum anatomifchen Studium; Gyps- 
abgüffe nach antiken plafiifchen Bildwerken wurden mit demfelben Eifer zum 
Nachzeichnen benutzt, wie Handzeichnungen und Stiche nach den Werken der 
 -grofsen Cinquecentifien; auf theoretifche Vorlefungen, deren Seele Agoftino 
war, wurde dasfelbe Gewicht gelegt, wie auf die praktifchen Uebungen. Der 
Der Ekleäcci- wEklekticismusß, wie Cf ÜCh theofetifch in fäfi lächerlich pointirter Weife in 
cägiriäcciir dem oft citirten Sonette ausfpricht, welches AgoPcino an Niccolo dell'Abate 
I) Wie das Wort Incamminare zu verftehen, zeigt Maizmßzz felbil am beflen. Er gebraucht 
es bei der Erzählung der Jugendgefchichte cler Carracci nicht weniger als viermal, a. a. O. p. 359 
(zweimal), 360, 361. vEtwas in Gang bringenß, vjemand auf die Beine helfenu würden wir lagen. 
G. P. Bellori Le vite de pittori etc. moderni, Ed. Roma 1672 p. 24 nennt die Akademie übrigens 
Waccademia dei defrderoiia: "per lo deflrlerio, ch'era in tutti di impararem
	        
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