Vorbemerkungen.
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Berechtigung und feine vergeiftigende Wirkung hat, wie der lineare Idealismus
Michelangelds. Die fubjective Auffaffung, welche {ich während diefes Zeit- fubgicetive
alters immer weiterer Kreife bemächtigt, zwingt unverfehens auch die einge- Außassung-
iieifchtelien Anhänger einer realiftifchen Kunft, uns die Welt _f0 zu zeigen, wie
fie {ich in ihrem eigenen Geifte eigenartig wiederfpiegelt, Ihr alfo C111 Stück
Geift von ihrem individuellen Geifie zu leihen und ihre Schöpfungendadurch
unvermerkt in eine Sphäre geifiiger Anfchauung zu erheben. Uebrigens er-
zeugten gerade die Gegenfätze, welche das Zeitalter beherrfchten, jene willens-
Harken Künftlerindividuen, denen es mit Bewufstfein hauptfächlich darum ZU
thun war, ihrer fubjektiven Perfönlichkeit Geltung zu verfchaffen.
Allerdings kann fich eine folche Subjectivität in volliteni Mafse nur auf dem 3225x5022?
Gebiete der ganz felbfiändigen Malerei ausfprechen, der Malerei, welcher es bei rive ltlßlßrei-
jedem Bilde nur auf die aus diefem felbft fich ergebenden Wirkungen ankommt,
vor allen Dingen der Cabinetsinalerei im Gegenfatze zur decorativen
Malerei, deren Wirkungen von vornherein durch beftimmte räumliche Bedingungen
gegeben und auf architektonifche Verhältniffe berechnet find. Jene feierte im
fiebzehnten Jahrhundert befonders in den realiftifchen Fächern, alfo in der
Porträtmalerei, im Sittenbild und in der einen Hälfte der Landfchaftsmalerei ihre
gröfsten Triumphe, diefe aber hatte fich zunächft den neuen Gefetzen der
barocken Architektur des Zeitalters zu fügen und erhielt dadurch von felbft
ein gutes Stück jenes Gepräges, welches ihr eigen ift. Monumental im ftrengen Charakter
Sinne der altitalienifchen Kunft ift die decorative Malerei nur felten mehr. Die decoiäiven
Deckenmalerei fpielt eine wichtigere und eigenartigere Rolle, als die eigent- Malerei"
liche Wandmalerei; und unter den Deckenmalereien erhielten, im Anfchlufs an
Correggids Kirchenkuppeln in Parma, vor allen Dingen die Kuppelgemälde,
die von Anfang an die Gefetze der ftrengeren Monumentalitat zu umgehen ge-
fucht hatten, eine für das fiebzehnte Jahrhundert charakteriltifche Ausbildung
und Bedeutung. An den Wänden der Kirchen felbft aber wurden die Altäre Die Altäre.
jetzt immer zahlreicher, immer gröfser, immer reicher und üppiger. Von Anfang
an im Stil der Gefammtarchitektur mitentworfen, überwucherten fie allmählich
die fonft für Fresken frei gehaltenen Wandflächen und wirkten mit ihrer reichen
architektonifchen Geftaltung auf den Stil der Riefenbilder zurück, die zwifchen
ihren vorfpringenden, reich gegliederten, oft gewundenen Säulen eingefpannt
werden follten. S0 kam es, dafs der Bedarf nach grofsen Altarbildern, wie
fchon bemerkt, niemals fo grofs war, als im fiebzehnten Jahrhundert, aber auch,
dafs diefe Altarbilder von Anfang an als Beftandtheile der Gefammtdecoration
gedacht waren und fich daher mit ihren lebhaften Bewegungsmotiven, ihren leuch-
tenden Farben und den ftarken Contrafien in der linearen Maffenvertheilung ihrer
Compofitionen wie in ihren Licht- und Schattenwirkungen den decorativen Ge-
fetzen der {tark ausladenden und bewegten Barockarchitektur fügten; und auf
diefe Weife wirkten die decorative Nothwendigkeit und das Bedürfnifs der Zeit
nach der Schilderung leidenfchaftlichen geiftigen und äufseren Lebens zu-
fammen, um der Grossmalerei des Jahrhunderts, wie fie uns in den Altarblättern
von Meiftern, wie Rubens und jllzzrillo, aber auch der italienifchen Eklektiker
und Natur-außen entgegentritt, jenes grofsartige Leben aber auch jene breite,
refolute Technik zu geben, durch welche {ie fich auszeichnen.
Gefchichte d. Malerei. III. 8