IIO
Buch.
Sechstes
Abtheilung.
BEhgIXdEIUIIg f onders in der Richtung auf die landfchaftlichen Elemente der Erde, des Wassers
fifxjiriafäfg; und der Luft, wurden fie doch im fiebzehnten Jahrhundert noch wefentlich
Lebens weiter entwickelt; wenigfiens wurden jetzt erft alle praktifchen Folgerungen
aus ihnen gezogen, wurden jetzt erft auch in der grofsen religiöfen Figuren-
malerei das atmofphärifche Leben und die Licht- und Schattenwirkungen fiets
aufs energifchfie mit verwerthet, wurde jetzt erft in landfchaftlichen Gemälden
und in Sittenbildern, die in Binnenräumen fpielen, wie in befonderen Darfiel-
lungen folcher Binnenräume, die Luft und das Licht in ihrem duftigen Leben
und Weben zu felbftändigen oder doch hauptfachlicherl Gegenständen der
küniilerifchen Darfiellung gemacht. Natürlich bezeichneten diefe technifchen
Ihrceglfällttiser Fortfchritte keineswegs ohne weiteres zugleich Fortfchritte in den künftlerifchen
Eigenfchaften höherer Natur. Eine folche Vertiefung in den geifiigen Inhalt
ihrer Aufgaben, eine fo harmonifche Deckung des Inhalts durch die Form, ein
fo unbefangenes reines Schönheitsgefühl, wie bei den grofsen Meifiern der
Blüthezeit des fechzehnten Jahrhunderts, die wir kennen gelernt haben, findet
man nur noch vereinzelt im fiebzehnten Jahrhundert und gerade am feltenfien
bei den höchfien idealen Aufgaben; aber das fiebzehnte Jahrhundert {teilte {ich
diefe Aufgaben auch von Anfang an in einem anderen Sinne, als das Cinguu-
crzzto; fein Geift war ein anderer, fein Empfindungsleben ein anderes; und kein
Jahrhundert hat feinem Geifie und feinem Empnndungsleben in der Malerei
einen fo überzeugenden Ausdruck zu geben verftanden und feine technifchen Er-
rungenfchaften auf diefem Gebiete feinem Geifie fo anzupaffen verftanden, wie
das fiebzehnte.
püliltliläcehen Die gemeinfamen politifchen und culturgefchichtlichen Vorbedingungen
"jgfcchftfä" diefer glänzenden neuen Aera der Malerei entziehen {ich freilich unferer Be-
gggääxmz; rechnung. In den verfchiedenen Ländern hatten {ich die Grundlagen der neuen
Cultur fehr verfchieden gefialtet; und auch die Malerei tritt uns in diefer Zeit
in Holland, daher in jedem Lande in anderer, eigener Geftalt entgegen. In Holland ent-
fproffen die Früchte der neuen Kunfi dem jungfräulichen Boden des neuent-
fiandenen, von bürgerlicher und geiftiger Freiheit durchwehten republikanifchen
i" Flandem- Gemeinwefens; in Flandern und Brabant gediehen fie herrlich unter dem Schutze
längfi überwunden geglaubter Mächte, im Schatten der geifiigen und fiaatlichen
mrgfifzk" Fremdherrfchaft; in Frankreich reiften fie an der Sonne der zu neuem vollen
in Spanien, Leben erwachten despotifchen Selbfiherrlichkeit; in Spanien vermochte felbfi
der rafche Verfall eines früh alternden und hinfiechenden, mit der Hierarchie
in Italien, im engften Bunde fiehenden Hof- und Staatslebens, und in Italien vermochte
die alte, eingewurzelte, aber kläglicher als je zu Tage tretende politifche Ohn-
macht und Zerriffenheit die reife und glänzende Entfaltung diefer Früchte nicht
zu hindern; von allen Ländern, in denen die Kunft einfi geblüht, ging nur
i" FSSÄfCIPDeutfChIand, das arme, unglückliche Deutfchland, welches durch feine centrale
Lage und durch den Particularismus feiner Fürften zum Schlachtfelde aller
Nationen gemacht wurde, von ganz wenigen bedeutfamen Ausnahmen abge-
beirrä fehen, im fiebzehnten Jahrhundert leer aus. Die verfchiedenen Zuftände der
Aceßfltää; verfchiedenen Länder in -diefer Zeit fpiegeln fich in ihrer Malerei aber auch
m Hommch deutlich genug wieder. Die holländifche Kunft wurde mehr als diejenige irgend
eines anderen Landes zur Pfadfinderin und Bahnbrecherin auf neuen Gebieten;