Fünftes
Vierter Abfchnitt.
München. Ein bezeichnetes Gemälde mit ganzen, lebensgrofsen Figuren von
Rotenhammefs Hand befitzt die Augsburger Galerie in der Darftellung der
Madonna in den Wolken mit Johannis dem Täufer und dem heiligen Franciscus
seifrislgäß" auf der Erde. Dafs er fich auch an der Haus-Freskenmalerei in Augsburg be-
inAugSbllYg- theiligt, berichtet Sandrart l), indem er vor allen Dingen des kunftliebenden
Herrn Hopfefs neuerbaute vfchöne Behaufunga rühmt, vdie er von oben bis
zu unterft hinab auf die Gaffen, rund herum im Hof und Garten bemaltk habe.
Am zahlreichften flnd jedoch feine kleinen Bilder, die er, wie manche feiner
niederländifchen Zeitgenoffen, vorzugsweife auf Kupfer zu malen und in der
früheren Zeit von I. Brueghel oder P. Bril mit landfchaftlichen Gründen ver-
Seaigtä agiler fehen zu laffen pflegte. Auf Holz gemalt find der Tod des Adonis im Louvre,
im Louvre. die ganz gute, wenn auch etwas kalt bunte Geburt ChriPci von 1608, der
ftudirte, fchon durch die willkürlich abwechfelnde Fleifchfarbe manierirte Sturz
in wien. der Engel und der Bethlehemitifche Kindermord, alle drei in der Wiener Galerie,
ifrf11ä)fgf:;_ auf Kupfer gemalt feine fämmtlichen Bilder der Münchner Pinakothek, von denen
das mit feinem Namen bezeichnete und win Venetia 16054 datirte Parisurtheil
in Caffßl, das belle ift, feine echten Bilder in der Caffeler Galerie, von denen drei, nämlich
die Ausftellung Chrifti von 1594, der Blitze fchleudernde Zeus von 1604 und
die heilige Familie mit blumenftreuenden Engeln von 1605, feinen Namen oder
in Berlin, fein Monogramm tragen, aber auch die Allegorie der Künfte im Berliner und
in Schwerin. die bezeichnete, von 1597 datirte rRuhe auf der Fluchtr in der Schweriner
Sein Stil. Galerie. Diefe Beifpiele müffen genügen. Sie zeigen, dafs dem Meifter chrift-
liche und heidnifche Stoffe geläufig waren. In feinen betten Arbeiten gelingt
ihm manchmal eine felbftändige Verarbeitung der italienifchen Eintlüffe; die
Mehrzahl feiner Bilder aber erhebt {ich nicht über die glatten, kalten Durch-
fchnittsleiftungen der italifirenden Moderichtung. Eine forgfaltige Pinfelführung
und gediegene Zeichnung kann man ihm jedoch ebenfowenig abfprechen, wie
ein gewiffes Gefühl für Anniuth und Liebenswürdigkeit, welches einigen feiner
kleinen Gemälde einen dauernden Reiz verleiht.
Die
Malerei
Frankreich
und
England.
Die franzöfi- In der zweiten Hälfte des I6. Jahrhunderts fehen wir in Frankreich einer-
MCMQIEHH. feits die urfprünglich von den Niederlanden beeinflufste, aber durch die Clouet
(Bd. II, S. 526) national gewordene Richtung der Malerei ihre letzten, zarten
Blüthen treiben, andererfeits die manierirt italifirende Grofskunii, wie fie fich
unter Primaticcio (Hd. 11, S. 788) in der Schule von Fontainebleau breit ge-
macht hatte, in leerer, abflchtlicher Weife ausklingen.
Die Nach- Die Ausläufer der erfleren Richtung begnügten lieh mit Erfolgen in kleinem
{nbgiziiellfs Mafsflabe. Sie malten Miniaturen oder zeichneten mit Roth- und Schwarzfiift
leicht getönte und mit Weifs gehöhte Bildniffe, die uns liebenswürdig und fein
EßAMarrel- anmuthen. Hierher gehört der Lyoner Etiwme [Wurzel-Auge 1), von deffen Hand
nga das Verfailler Mufeum das 1571 gemalte Bildnifs der Bianca Capella befitzt,
'l'eutfche Akademie, II, S. 288.
Gzorges Berger: L'6c0le Frangaise
(Paris