Volltext: Die Malerei der Renaissance (Bd. 2)

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Viertes Buch. 
Abtheilung. 
A1g3;i1d l1l. Hieronymus besuchen, mufs man in Ancona gewesen fein, um das köstliche 
zu Ak1c0:2s. Altarblatt zu sehen, welches TiZian 1520 für die Franciskanerkirche dieser Stadt 
gemalt hatte, jetzt aber in die Dominikanerkirche gebracht worden ist. Dies 
jenigen Altarblätterjedoch, welche die wichtigsten Etappen auf der Siegesbahn 
des Meisters find, hat er für venezianifche Kirchen gemalt. Hierher gehört das 
fchöne Verkündigungsbild in der Scuola di S. Rocco, hierher gehören aber vor 
allen Dingen die vier grofsen Altarblätter von 1518, 1523, I526 und 153o. Im 
DicHimmg1. Jahre I5I8 hatte er die vAfsuntaic, das grofse Bild der Himmelfahrt der Jungs 
Nil2tciFkmä frau, vollendet, welches sich gegenwärtig in der Akademie zu Venedig beHndet. 
zFki7TTY2iig. Unten im Schatten umstehen die mächtig bewegten Apoftelgestalten das leere 
Grab; ihre Blicke richten sich nach oben, ihre Arme strecken f1ch empor, dem 
himmlifchen Lichte entgegen, der Gottesmutter nach, welche, von WVolken ges 
tragen und von wunderbar schönen Engelknäbchen geschoben, im hellsten Lichts 
g1anz dem ewigen Vater entgegenfchwebt, der f1e ganz oben, milde hernieders 
fchauend, mit ausgebreiteten Armen empfängt. Neu war hier vor allen Dingen 
die kunstvolle Berechnung der Liniens und Lichtperfpektive; wirksam ist bes 
fonders die Verbindung der glühendsten L0kalfarben mit dem feinsten atmos 
 fphärifchen Leben. 1m Jahre I523 wurde das Altarblatt für die kleine Kirche 
im v.s.kik221 S. Nicco1o aufgestellt, welches jetzt der vatikanifchen Galerie in Rom gehört. 
M Rom. Hier stehen unten fechs herrliche Heiligengestalten, von denen der heil. Nikos 
laus ebenso durch die prachtvolle, ftoffliche Behandlung feines Kostums, wie der 
hl. Sebastian durch die magisch idea1if1rende Beleuchtung feines blühend warmen 
Fleisches ausfällt, auch sie alle emporfcl1auend zum Himmelslicht, in welchem 
die Jungfrau mit ihrem göttlichen Sohne erscheint. Es ist eins der am strengsten 
fymmetrifch komponirten, zugleich aber eins der am natiirlichsten beleuchteten 
DieM2d01m.1Bilder Tizians. Im Jahre I526 vollendete Tizian die 11Madonna des IsIaufes 
des Haufes      
 Pefarocs, CF1g. 415J.welche. noch heute an ihrem urfprungl1chen Best1mmungss 
zu vek.sdig. orte in der Frarik1rche hängt. Die heiligen Petrus, Franz uncl Antonius ems 
pfehlen fürbittend die Mitglieder der Familie Pefaro der Gnade der Jungfrau. 
Diese thront aber nicht nach der alten Art in der Mitte fondern seitwärts zur 
Rechten des Beschauers auf hochgestustem, in fchräger Ansicht gefehenen Postas 
mente unter den kolofsalen Säulen der Himmelshalle. Sie hält das lebhaft 
bewegte nackte Chriftkind auf ihrem Schofse und beugt sich mild hinab zu den 
Heiligen, welche auf den Stufen des Thrones stehen: vorn, zu ihren Fiifsen, 
Petrus in kühner VVendung mit mächtigem Buche, rechts, entzückt zu dem 
Chriftkinde gewandt, der hl. Franz, still im Hintergrunde der hl. Antonius. Oben 
zwifchen den Säulen fpielen Engel mit dem heiligen Kreuze auf einer leicht 
herabfchwebenden goldenen Himmelswolke, unten auf dem Steinboden des 
Idealtempels, zu beiden Seiten der unteren Thronstufen aber knieen die kernigen 
Gestalten der stifterfami1ien, deren Köpfe das individuellste Leben athmen, 
während die Stoffe ihrer Gewänder von erstaunlicher Pracht find. Ganz links 
endlich fchwingt ein geharnifchter Kriegsmann eine mächtige Fahne in der 
hoch gehaltenen Linken und zieht mit der Rechten einen türkifchen Ges 
fangenen hinter f1ch her. Die Komposition ist frei fymmetrifch gedacht; aber 
ihre Symmetrie kommt im hergebrachten Sinne nicht zur Geltung, weil die 
ganze Gruppe fchräg von der Seite gesehen ist; vielmehr verbindet sie eine 
grofsartige Linienfchönheit mit einer Freiheit, die f1ch felbft ihre Gesetze von
	        
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