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Viertes Buch.
Abl:hei1u11g.
römifchen und altgricchifchen Gefchichte im Konf1fi:oriumssSaale des Stadts
haufes zu Siena. Trotz ihrer manierirt in verfchiedenen Farben fchil1ernden
Gewänder und ihrer konventionellen Umriffe im Nackten machen f1e wegen
ihrer sicheren Zeichnung, ihrer durchdachten Kompositionen und ihrer breiten,
weichen Pinfe1führung noch keineswegs den Eindruck wirklichen Verfal1es.
Von feinen Tafelgemä1den find das Altarblatt mit der thronenden Madonna
im Oratorio di S. Bernardino und die DarPcellung der einigen Heiligen ers
fcheinenden Jungfrau im Iftituto delle belle Arti hervorzuheben. WVie äufsers
lich er aber gelegentlich die Motive der römifchen Schule verarbeitete, zeigt
die aufdringlicl1e Zeichnung des Nackten der armen Seelen in feinem Bilde
derfelben Sammlung, welches ChriiIus in der Vorhölle darfiellt. Endlich fcl1uf
er mit verfchiedenen Unterbrechungen die ebenda aufbewahrten Kartons, nach
denen die formenfchönen iigs;irlichen Zeichnungen der Marmorintarf1en des
Fufsbodens im Dome von Siena ausgeführt wurden.
Seine Tafels
bildet im
0rat. di S.
Bernardino,
im Ifkituto
c1e11e helle
ÄktZ
zu Siena.
Die Zeichs
nungen L d.
Fufsboden
des D0mes
zu Siena.
Die
Ferrarefen
und
Bolognesen. 1J
1r3fc1;:Hick1H:. Die CinquecentiPcen Ferrara7s und Bologna7s pflegten bis vor kurzem irris
5k21tsmg. ger Weife unter die Schüler und Nachfolger Raphaels gestellt zu werden.
Dafs der Glanz der römifchen Schule, der ganz Europa blendete, auch ihnen
nicht verborgen blieb, iPc freilich richtig; dafs Raphaels EinHufs f1ch in mans
chen ihrer Werke bemerkbar macht, foll nicht geleugnet werden; aber ihre
charakteriftifchen Eigenfchaften liegen doch gerade in ihren oberitalienifchcn
Befonderheiten. Die Ferrarefen bleiben tonangebend; und gerade ihre Aufs
faffung bleibt, fo grosse Sorgfalt manche von ihnen auch auf eine. edel abs
gerundete Zeichnung legen, doch in erster Linie koloriPcifch; und ihr Kos
1orit bewahrt dem venezianifcl1en gegenüber, abgefehen etwa von Mazzolin0p
Odem Glühwurmcs, in feiner ernfieren, kühleren, aber nicht minder tiefen und
faftigen Frifche eine ausgefprochene Eigenart. Dabei komponiren f1e forgs
fältig, aber freier und individueller als die Römer, wie ihnen überhaupt ein
realiftifcherer Zug eigen ifl:, der, mit einer Vorliebe für landfchaftliche Hinters
griinde und phantaftifche AuSftattung gepaart, manchmal, wie die wirkliche
Landfchaft Ferrara,s, an die Niederlande erinnert.
mirs. An der Spitze diefer Schule sieht jetzt GiowZ7272i MicxoZo di L2zZes;so, in der
Regel DoJJo l2oJE2J genannt. Gegen 1479 im Gebiete von Mantua geboren, ers
sein Bi1s lernte er die Kunst unter feinem Landsmann Los. cbJZxx ioben S. 309J in
dMgsgMg. Bologna. Später finden wir ihn als Lieblingsmaler Alfonfo,s l. von Elle in Fers
rara anfäfsig; doch arbeitete er I5I2 auch für den Hof der Gonzaga in Mantua,
ja 1532 fogar in Trient. Dafs er mit feinem jüngeren Bruder BxzZJZz: fechs
Jahre in Rom, fünf Jahre in Venedig fiudirt habe, wie früher behauptet wurde,3J
ist unerwiefen und unwahrfcheinlich; dafs die nahen VeneZianer ihn beeinflufst
haben, mag zugegeben werden. Im ganzen aber erfeheint Doffo gerade als der
II Literatur oben S. 3o6.
2J L. M Cfiim7eZZz2.s I due D0ssi etc., Ferrara. 187o. in
C1875J, S. 269s273 und passin1 in feinem pDje X,Verke etc.sc
3J Noch von Casm7Zo LzzeXe7cXz.7: 1.a pittura Ferrarese CFerrara 1856J p.
Zeitschrift X,