668
Buch.
Vicrtes
Asbt11eil11ng.
gelb gefütterten sammetkleide in ihrem reich ausgestatteten Gemachc. Es
ist ein Prachtbild, obgleich es nur nach einer Zeichnung gemalt ist, die
Raphael in Neapel anfertigen liefs, und obgleich. der Meister, wie Vafari ausi
drüeklich meidet, nur den Kopf felbft gemalt, das übrige aber Giuli0 Romano
zur Ausführung überlaffen hat.
kzph3e1s Von höchstem Intereffe sind fodann die kirchlichen Bilder der letzten
x1zIYIT,,. Epoche RaphaelS. Dogmatifcher angeliaucht, als feine meisten früheren Dars
niYiiE1T;;g. stellungen find Zwei Bilder der Madrider Galerie, die vBegegnung der Frauencc,
FZ,F,fe,slI, in welcher der Verfaffer nur theilweise Raphaels eigene Hand zu erkennen
D1,sLajIJJs;,,. vermochte, und vLo spasi1i10 di Siciliack, die aufserordentlich bedeutende Koms
IJF;j,nFdJU pofition der KreuZtragung Christi, welche uns doppelt interefsirt, weil fie ficl1
offenbar an deutfche Werke anlehnt, indem fie durch stilistifche Vereinfachi1ng
und Umgestaltung aus Scl1ongauers grofsem Kupferstich Toben S. I10J, wenn
auch wohl mit gleichzeitiger Benutzung des Blattes der grossen Holzfchnitts
paffion Dürers Toben S. 394J entftanden ist 1Js CFig. 38IJ. Der dramatifch ergreii
fende Moment ist gewählt, wie Christus vor dem Thore Jerufalems unter der
Laft feinesiKreuzes zufammenbricht. Um den Zug in gröfserer Ausdehnung
entfaltet zu zeigen, ist die Hauptfcene an eine Krümmung des VVeges vers
legt; der Reiter mit der Fahne an der Spitze des Zuges bewegt sich bereits
bildeinwärts, dem links oben sichtbaren Kalvarienberge entgegen. Die rastlofe
Vorwärtsbewegung einerfeits, die materielle Hemmung durch den Sturz, die
geistige Hemmung durch die Begegnung mit den Frauen andererfeits vereinigen
fich zur packendften VVirkung. Die Charaktere find grofs, ernst, tief, wie von
der Hand eines Tragikers gezeichnet; die Formen find frei und breit. Das Bild
ist in kräftigen Farben und nach des Verfaffer5 Ueberzeugung zum gröfsten
Theil von Raphaels eigener Hand gemalt.
Hier fchliefsen sich dann die VifionSbilder an, auf deren zufammenhängende
Bedeutung erst vor kurzem aufmerkfam gemacht worden ist. VI Dafs Raphael
gerade sie eigenhändig ausgeführt hat, ist bezeichnend. Er hatte fich fcl1on mit
der vMadonna di Fulignocc in diefe Gattung hineingewagt; jetzt reizte es ihn
von malerifchen wie von religiösen Gefichtspunkten aus, gerade fie felbständig
Die weiterzubilden. Zuerst ist hier die berühmte Darstellung der l1l. Cäcilie zu
mi,,cF.IIHe nennen, welche, 15I3 für die Kirche S. Giovanni in Monte zu Bologna bestellt,
ZInEF1ZTsF,wvohl nicht vor I516 vollendet wurde und jetzt den vornehmsten Anziehungss
Punkt der Pinakothek von Bologna bildet. Die Komposition ist wieder strenger
fymmetrifch. Die Heilige steht kostbar gekleidet in der Mitte des Bildes; zu
ihren FüfSen liegen die saitens und Blasinstrumente, welche f1e verfclimäht;
in beiden Händen, nacliläffig Zur Erde gefenkt, hält fie die Orgel, welche fie
erfunden; der tieffchwärmerifche Blick ihrer dunklen Augen ist gen Himmel
gewandt; ihr Ohr weilt über den VVolken, wo der Befchauer reizende Engels
knsaben fingen f1eht. Gerade in diefer Vifi0n liegt die Hauptidee des Bildes.
An jeder ihrer Seiten stehen zwei grofsartjge Heiligengestalten, links Paulus
und der Evangelist Johannes, rechts Magdalena und der Bifchof Petronius.
Die volle Schönheit der Formen, die realistifche Kraft der malerifchen Bei
1D
2J