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VierteS Buch.
Abtheilung.
zeichnete, stehende männliche AktHguren, welche beredt bezeugen, wie unabs
läfsig der Meister noch in feinen reifsten Jahren die Natur studirte.
TafZ,EIj1der Auch auf dem Gebiete der Tafelmalerei wurde Raphael in feinen
EIsII;ek1jJF;;sD letzten Lebensjahren fo mit Aufträgen überhäuft, dafs er nicht mehr daran
Rspbsie1s. denken konnte, alles eigenhändig auszuführen. Nur Bildniffe und einige gr0fse
religiöfe Darstellungen, welche ihm befonders am Herzen lagen, weil sie theils
die heiligen Gefchichten im ftrenger biblifchen Sinne wiedergaben, theils einen
ekftatifchsvisionäreren Charakter trugen und daher auch neue malerifche Pros
bleme fchufen, führte er jetzt noch ganz oder doch zum gröfsten Theil felbst
durch. Die Ausführung der Madonnen und heiligen Familien, in denen er
das alte Thema immer neu zu variiren hatte, überliefs er feiner WVerkftatt.
Doch zeigen die K0mpof1tionen f0lcher Bilder, mit welcher Sorgfalt und Liebe
er immer noch die Entwürfe zu ihnen vorbereitete. Wir wollen diefe f1cher
von ihm entworfenen, aber jedenfalls im wefentlichen nicht von ihm gemalten
Bilder zuerst betrachten.
I1iz;2g;Ik2Fx .Zu.nächfsc sind vier Da.rftellungen heiliger Familien zu nennen, welche dem
Fli;iXiäx;1r Chriftkind eine fchöne, mit feiner weifser VVafche verfehene Wiege zuertheilen,
.xiurs22s2. in welcher es, im Begriffe sich zu erheben, wenigstens noch mit einem Fufse
steht. Eins diefer Bilder wird vdie heil. Familie unter der Eichen oder s1mit
der Eidechfekk genannt; es zeigt Jofeph, die Madonna und die beiden Knaben,
befindet fich im Madrider Mufeum und fcheint von Penni ausgeführt zu fein.
lZisFgasr:F; Das zweite ift die berühmte grofse heilige Familie des Louvre zu Paris, welche
ioi L0uvres Raphael für Franz I. entworfen hatte; Jofeph, Maria und das Chriftkind eins
pfangen die Huldigung der Elifabeth und des kleinen Johannes, fowie eines
anbetenden und eines b1umens7creuenden Engels; es ift eine herrliche Kompos
sition, deren koloristifche Ausführung mit ihren energifchen, aber kalten Tönen
auf Giulio Romano hinweist. Das dritte ist die als siPerlecc gefeierte heilige
Museum. Familie, welche wahrfcheinlich identifch ist mit dem nach Vafari vom Grafen
Canoffa bestellten Bilde;1J die vortrefflich gefchl0ffene Komposition zeigt vorn
die beiden Frauen mit den beiden Knaben, im Hintergrunde Jofeph in grofss
artiger Ruinenlandfchaft; die Ausführung ist vorzüglich, kräftig, frifch, aber die
Behandlungsweife und die Farbenftimmung sind eben von denen der sicher
eigenhändigen Bilder Raphaels aus diefer Epoche ganz verfchieden und weifen
auf diefelbe Hand hin, welche die heilige Familie Franz7 I. gemalt hat. Das
1RieFka1;jH;:e vierte diefer Wiegenbilder endlich ist die fog. kleine heil. Familie des Louvre. Zu
im iöY;1vke. diefer Gemäldek1affe gehören ferner die vMadonna delli imkaannatac1 sd. h. iimit
dem Erkerfenstercc, welches rechts fichtbar 1stJ in der Ga1erie Pitt1 zu Florenz,
vakat. die 1sMadonna del passeggi0ci Cd. h. 1sauf dem spaziergangeccJ in der Bridges
W Pii.jTWi water Ga1erie zu London, und die vheil. Familie mit dem spruchbandcc in der
FTFa,s;0I;T;. Madrider Galerie; endlich find ihr aber auch noch einige innerlich bewegte
xFJzIII;;,TFITs Heiligenbilder zuzureclinen: vor allen Dingen die schöne Darstellung des jugends
DiE1TTiiH;,3lichen Johannes in der VVüste, der, auf einem Felfen sitzend, ein Pantherfell
um die Lenden, mit erhobener Rechten auf ein neben ihm aufgepsianztes Kreuz
in VsI,IHds deutet und den Befchauer mit grofsen, heiligen Augen anblickt, eine Dars
Heilung, um deren Befitz in eigenhändiger Ausführung lich die Uffizien zu
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