B1üthezeit
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am Gestade tl1ronenden Papste zu huldigen, nimmt den ganzen Vordergrund
ein; und das Ringen dieser micl1elangelesksmuskulösen Gestalten mit einander
bedingt den künstlerischen Eindruck des Bildes.
Das vierte Bild endlich, nach dem das Zimmer benannnt worden, stellt yek Ema
den Brand im Borgo, einem Stadtthei1e Roms, dar. Papst Leo 1V., welcher Im Borgo.
den Flammen Einhalt gebot, indem er das Zeichen des Kreuzes schlug, ist im
Hintergrunde in der Loggia des Vatikans sichtbar. Im Vordergrunde sehen
wir die brennenden engen Gassen und die lebhaft bewegten Volksgruppen:
rechts prachtvolle Gestalten, im Begriffe das Feuer mit VVassereimern zu löschen,
links nicht minder schöngebaute Leute, welche einem brennenden Hause nackt,
wie das Element sie überrascht hat, entfliehen. Das WVunder und die Geschichte
treten hier ganz zurück. Es ist eine grossartig bewegte Darstellung aus dem
täglichen Leben. so etwas war damals noch ganz neu; wir begreifen daher
das Aufsehen, welches diese prächtige Komposition erregte.
Eigenhändig ausgeführt hat Raphael leider schon kein einziges dieser Bi1s Ekmiziikks zu
der, man erkennt vielmehr die Hände verschiedener seiner Schüler. Es ist BiiZFki1.
sogar fraglich, ob er die Entwürfe, mit Ausnahme des sicher von ihm hers
rührenden zum ssBorgobrandecc, wirklich ganz selbst durchkomponirt hat; II wie
sorgfältig er aber auch diese Kompositionen durch Naturstudien vorbereitet hatte,
zeigen die Handzeichnungen verschiedener sammlungen: zum :1Incendiou besons
ders diejenigen in der Albertina und den Uff1zien, zur iiSchlacht bei Ostiace in der
Albertina und in Oxford; doch sind die prächtigen 0xforder Studien bei der
Ausführung eben ganz verändert worden, ja, eine Gruppe kämpfender nackter
Männer, welche auf einem der schönsten Blätter CRobinsons Katalog No. 1o2J
erhalten ist, ist auf dem Bilde überhaupt nicht zur Darstellung gekommen.
Zur :sKrönung Karls des Grossencc endlich besitzen die Albertina, die Düsseldorfer
Akademie und der Herzog von Aumale Studienblätter.
Die vierte und letzte vstanzaa ist der Konstantinsfaal, weitaus der KoIZtYt,
grösste Raum dieser Reihe, dessen malerische Ausschmückung aber auch weits iT21iims.
aus am wenigsten von Raphaels eigener Hand zeigt.2J Die Ausführung fällt
sogar erst nach seinem Tode. Nur den Plan zum Ganzen wird er gemacht R2ph;ze1ss
haben; feine Einzelentwürfe wurden zum Theil durch andere von anderer Hand
ersetzt. Die gestellte Aufgabe war hier am reinsten historisch. Die Gründung
der christlichen Kirche unter Konstantin sollte dargestellt werden. Raphael
hatte die Absicht,3J in den vier Hauptbildern die Erscheinung des Kreuzes,
die Schlacht Konstantins gegen Maxentius, die Vorführung der Gefangenen
und endlich die Legende zu veranschaulichen, nach welcher Papst Sylvester das
Abschlachten unschuldiger Kinder vereitelte, in deren Blute Konstantin sich zu
baden beabsichtigte, um sich von einem Leiden zu heilen. Die letzteren beiden
Entwürfe wurden später durch die Darstellungen der Taufe Konstantins und der
Schenkung Roms ersetzt, mit denen Raphael also überhaupt nichts zu thun hat.
Auf ihn gehen vielmehr nur die beiden zuerst genannten Darstellungen und einige
der alle vier Bilder Hankirenden Papstf1guren in den gemalten Nischen zwischen
O C. JZMf;iJwz im 0xforclsKatalog p. 239.
2J IZnJzzJsf sagt in Bezug auf Raphael von diesem Saale auch nur 22alla q11ale cliede principiocc.
IX. ZllJZmzexi IV, p. 369.
3J sitz. rZkZ Pfw;zäoYr Brief in Cc2ZZi7.c o:Vita di Michelangeloss I, p. I38.