Volltext: Die Malerei der Renaissance (Bd. 2)

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Viertes Buch. 
Abthei1ung. 
ringt, sitzt und geigt, während die Abhange des Berges, an denen eine grosse 
Anzahl der vornehmsten Dichter des Alterthums und der Neuzeit gruppirt 
sind, sich zu beiden Seiten des Fensters hinabZiehen. Links oben deklamirt 
Homer mit lauter stimme; die übrigen laufchen oder führen nur leife Ges 
spräche. Alle Einzelheiten sind köstlich gegen einander abgewogen; unfer 
Auge fühlt, was das Ohr der Dargestellten hört. 
Dis.s:sk22s Auf anderem Boden stehen die Darstellungen der vStanza d7Eliodoroci. 
d,EhOd0w. Das Wort vGott verlässt die seinen nichts: würde das hier angeschlagene und 
Ihk in den vier historischen Hauptbildern variirte Thema am einfachsten umfchreis 
GI,fT,YZYi. ben. Die gefchichtlichen Beispiele des WVillens Gottes, zum Wohle feiner Kirche 
mit lxVunderthaten einzugreifen, sollen aber zugleich als Spiegelbilder der Siege 
der römischen Kirche unter Julius II. und Leo X. erfcheinen; und. damit 
diefe Parallele nicht unbeachtet bleibe, erscheinen diese Papste, unter denen 
die Gemälde des Zimmers begonnen und vollendet wurden, hier selbst an 
Stellen, wo sie den historifchen Zufammenhang gewaltfam zerreissen: eine ges 
fchichtliche Symbolik, der Raphael sich anbequemen müsste. II Auf diesem 
neuen Boden bewegte sich der Meister denn auch in neuer Weife. Die stanza 
d7Eliodoro bezeichnet in manchen Beziehungen abermals eine höhere Ents 
wicklungsstufe seiner Kunst. Er hat gelernt, dramatische Handlungen mit dras 
matifcher Wucht und Gefchlosfenheit darzustellen; und er ist zu einer maleris 
fcheren Behandlungsweise, einer grösseren atmofpärischen Vertiefung des 
Raumes und einer malerifch freier empfundenen Gruppenbildung hindurchs 
gedrungen, zu Vorzügen, die freilich in seinen Tafelbildern in noch weit 
höherem Masse als Fortschritt zur Geltung kamen, als in diesen monumens 
D1h;e talen Wands und Deckengemälden. Als Deckengemälde kommen in diefem 
hi1i1eik.1. Zimmer nur die vier Darstellungen der Gewölbekappen in Betracht, welche 
von reichen Renaissances0rnamentstreifen eingefasst und als ausgespannte Teps 
piche stilisirt sind. Jede dieser fphärifchen Bildflächen enthält eine Darstellung 
aus dem alten Testamente, welche als vorbildlicheS Beispiel für die unten an 
der WVand erzählte Begebenheit aus der Kircl1engefchichte gelten kann; doch 
scheint Raphael diefe Bilder nicht mehr alle eigenhändig ausgeführt, fondern 
nur komponirt 2J zu haben; als Kompositionen aber sind sie wichtig für des 
Meisters Entwicklungsgeschichte, weil f1e offenbar unter dem Einfluss von Mis 
Di;HY;1;ds chelangelo7s Decke der f1xtinifchen Kapelle stehen. Das Wandbild, nach weis 
chem das Zimmer seinen Namen erhalten, veranschaulicht die wunderbare Vers 
Die lX3gtreistreibung des fyrischen Feldherrn Heliodoros aus dem Tempel zu Jerusalem. 
He1iodokos. Auf lichtem Ross, in goldenem Harnisch, von zwei leicht fchwebenden, Geissel 
schwingenden Himmelsjünglingen begleitet, sprengt der Bote Gottes durch den 
Tempel und über den bereits zu Boden gestürzten Räuber dahin. Vergebens 
suchen seine Begleiter mit den Schätzen das Freie zu erreichen. Es ist eine 
Scene von aufserordentlicher Wucht in der Verf1nnlichung der Handlung durch 
1J Die D11rchfiihrung der Parallele verdanken wir J77. fJeZZ7zsy a. z,, O, S, 214s223, 
2J Nach J. C. lPr2t3f72JM C0xf0rder Kata1og p. 228s231J hätte Raphael von diefen vier Deckens 
bildern sogar nur die Berufung Noahs selbst ls:omp0nirt; und Sjs7iszgzy ja. a. O. S. 107s1o8J will 
noch d,en brennenden D0rnbufch für Raphae1 retten. Ich fehe jedoch keinen genügenden Grund, 
Raphael irgend eine diefer vier Kompositionen, in denen er eben abf1chtlich auf Miche1ange1o7s Formens 
spreche einzugehen suchte, abzufprechen.
	        
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