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Viertes Buch.
Ab t11eilung.
Ausschmückung dreier kleinerer Zimmer und eines grossen Saales im Vatis
kane, der Räume, welche die Kunstgeschichte mit dem italienischen Ausdruck
für Wohnräume Raphaels pstanzencc nennt. Julius II. erlebte ihre Vo1lens
dung nicht. Er starb I5I3; aber auch Raphael selbst, der unter Julius, Nachs
solger, Leo X., noch sieben Jahre in Rom weiterarbeitete, starb, ehe feine
Entwürfe für die Wand. und Deckengemälde dieser Räume vollständig auss
geführt wurden. schülerhände führten das Werk zu Ende. Immerhin nahm
die Arbeit in den vStanzenic während der ganzen I2 Jahre, die Raphae1 in
Rom zu schaffen vergönnt war, einen guten Theil feiner Kraft in Anspruch;
aber doch nur einen Theil derselben; es ist erstaunlich, wie viel er noch nebens
her schuf und leistete. Ihre schönste Blüthe entsaltete seine künstlerische Thätigs
keit unter Julius II.; unter ihm schuf Raphael seine herrlichsten eigenhändigen
Werke. Unter Leo X., dem vergnügungssüchtigen, selbstgefalligen Medici, stieg
er zwar zu den höchsten Ehren empor; aber dieser Papst muthete ihm nur
allzuviel zu; am I. August I5I4 eriiannte er ihn sogar zum 0berd0mbaumeister
an St. Peter, und am 2y. Aug. des folgenden Jahres übertrug er ihm die Aufs
sieht über alle Ausgrabungen antiker Monumente in R0m.1J Raphael,s Thätigi
keit als Baumeister und Archäologe kann im Rahmen dieses VVerkes nicht
besprochen werden; aber dass dieselbe ihn zerstreuen und zersplittern müsste,
ist selbstverständlich. schliesslich verlangte man Zeichnungen für Kunstwerke
jeder Gattung von seiner Hand, auch für Bildhauerarbeiten und Kupferstiche;
und die Folge davon war, dass er sich gewohnte, auch seine Gemä1de nicht
eigenhändig mehr auszuführen. Unter diesen Umständen zerfällt Raphael7s
römische Epoche für uns in zwei Ziemlich scharf zu unterscheidende Hälften,
deren Grenzen mit dem Uebergange des Pontisikats von Julius II. auf Leo X.
zusammenfallen.
Die.,Wai1ds VVir betrachten zuerst die Wandgemälde, dann die Taselgemälde aus Ras
FFkt;T1::EE15ii1eik phaels erster römisclier Epoche Vor allen Dingen nahmen
R1:e;i:3lHS ihn während dieser ganzen Zeit die Malereien in zwei der Stanzen in Anspruch, in
F der1508ss1511 ausgemalten iiStanza della segnaturaa, die so genannt wurde,
weil in ihr die Gnadenbewi1ligungen besiegelt wurden, und in der erst I514
vollendeten sistanza d7Eliodoroec, welche von ihrem Hauptbilde ihren
Namen empfing. Jedes dieser Zimmer ist mit einem Kreuzgewölbe bedeckt;
und dem entsprechend sind die vier Wände oben in mächtigen Halbbogen
abgeschlossen, während von den einander gegenüberliegenden Flächen zwei
durch Fenster, die beiden anderen durch kleine Seitenthüren durchbrochen sind.
DiedJü;v2a Die Deckengemälde der stanza della Segnatura zu malen, war gerade
ssgk22:uks. Sodoma Csiehe unten; beschäftigt, als Rapliae1 beauftragt wurde, das Zimmer
mit Gemälden zu schmücken. Sodoma musste weichen, seine Malereien wurden
lJ Die beiden Breve7S im lat. Urtext bei Px;Jcz72emi I, S. 505ss507. Als Datum des ekfkekeH
wird vielfach der I. Aug. 15I5 angegeben. Allein da der Papfl: das erste o1anno 5ecunclocc, das zweite
vanno terti0ec datirt, fo ist es klar, das f1e aus verfchicdene11 Jahren stammen. Dafs der bekannte
Bericht an den Papft über Rom7s antike Bauc1enlcmäler nicht von Raphae1 herrühren könne, hat man
feit fJ. L7JsismJ2Cr Aufsatz in Zi:Jml.r 2sJa11rbiicherncc 187l, S. 67 ff. allgemein zugegeben. Jetzt hat E2sg.
ZWZJ2Z2 Cp1Raphak5lcc F. 603s607J die Urheberfchaft Raphae1S jedoch wieder geschickt vertheidigt. Der
Bericht felbPc bei PxzJx27JzmZ, I, P. 508g52l. Alle diefe Dokumente deutfch in Auss
gabst von C1cX2ZIr Kiinfl:1erbriefen I, S. 96.106.