Volltext: Die Malerei der Renaissance (Bd. 2)

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Viertes Buch. 
Abthei1ung. 
Die vMadonna aus dem Haufe Canigiania in der Münchener Pinakothek. Hier 
  knieen Maria und Elisabeth einander gegenüber in prächtiger Landschaft, und 
M München. die beiden Mütter lassen ihre S6hnchen zwischen ihren Knieen mit einander 
spielen, während Joseph hinter den Köpfen der Frauen aufragt und nachdenks 
 lich herabschaut. Die Engel, welche zu beiden Seiten oben in der Luft 
schwebten, sind fortrestaurirt worden. Wie sie ist, erscheint die Gruppe zu starr 
symmetrisch und pyramidal aufgebaut; aber die Charaktere sind von hoher 
 Schönheit. Eine Federskizze im Bes1tze des Herzogs von Aumale, welche die 
Figuren dieses Bildes noch nackt zeigt CBraun No. 124J, führt uns Raphael7s 
Art zu arbeiten in lehrreicher Weise vor Augen. 
A1ts;HLättss Allen diesen mehr oder weniger weltlich angehauchten Madonnen und 
 heiligen Familien treten die für die Kirchenandacht bestimmten Altarblätter, 
Zeit. welche Raphael in feiner siorentiner Zeit schuf, als wohl unterschiedene bes 
di3en;ii:;Ssondere Klasse gegenüber; doch ist ihre Anzahl gering. Zunächst muss die 
 Altartafel genannt werden, welche Raphael 1505 für das Kloster des hl. Antos 
 nius zu Padua gemalt hatte. Sie gehört jetzt, wie es heisst, dem Herzog von 
Ripalda, befindet sich aber als Depos1tum in der Londoner Nationalgalerie. 
Dargestellt ist eine grosse Santa Converfazi0ne im Sinne Fra Bartolommeo7s: 
in der Mitte unter rundem Baldachin die Madonna auf hochgetrepptem Thron, 
auf dessen oberster Stufe der kleine Johannes steht; etwas tiefer an jeder Seite 
eine weibliche Heilige mit dem Palmenzweige; ganz unten aber die mächtigen 
Gestalten des Petrus mit dem Schlüssel und des Paulus mit dem Schwerte. 
Dis Es ist eine feierlich abgewogene Komposition von tiefem, religiösem Ernst des 
hii:iTIFiiTii;s Ausdrucks. Den oberen Abschluss dieser Tafel bildete eine Lünette mit der 
Werkes. Darstellung Gottvaters zwischen peruginesk bekleideten, anbetenden Engeln; 
ihren unteren Abschluss bildete eine Predella, deren einzelne Theile mit Dars 
stellungen Christi am 0elberg,1J des Zuges nach Golgatha und der Beweinung 
Christi sich in englischem Privatbefitze beHnden, während die Eckstücke mit 
den Gestalten des hl. Franziskus und des hl. Antonius im Dulwich C0llege 
bei London aufbewahrt werden.2J Ebenfalls im Jahre 1505 hat Raphael das 
Dis einfachere, aber anziehendere Altarblatt gemalt, welches sich ursprünglich in 
Nis:iFiiiZs einer Kirche zu Perugia befand, jetzt jedoch als vMadonna der Familie Ansis 
inBlenMm.deiu die Galerie des Herzogs von Marlborough zu Blenheiin bei 0xford 
schmückt. Hier thront die Madonna, auf deren Knie ein Buch liegt, vor einem 
prächtigen Steinbogen, durch welchen man in eine feine Landschaft blickt, 
zwischen dem hl. Nikolaus, einer edlen kräftigen Charaktergestalt florentinischen 
Gepräges, und dem noch mehr peruginesk gehaltenen Johannes dem Täufer. 
Das Bild ist warm im Tone, köstlich durchgeführt und athmet tiefe, selige 
Ruhe. Die Predella enthielt Scenen aus dem Leben des Täufers. Ganz am 
Ausgang der florentiner Epoche Raphaels steht das Altarblatt, welches er für 
die Kapelle der Familie Dei in der Kirche S. Spirito zu Florenz zu malen 
hatte, aber wegen seiner Abreise nach Rom nicht vollendete. Von fremder 
1J Nach der gewöhnlichen Angabe bei der Baroness Bnrdett couts in London. Ein Exemplar 
im Bes1tze Herrn Prof. E. i22z.c,yy2 PIX2seJsiJz7.c in Kessenicl1 bei Bonn könnte jedoch, zumal da es das 
Siegel der Galerie Or1eans, welcher der ganze Altar gehörte, zeigt, grösseren Anspruch auf Echtheit 
haben. Dass Raphael diese Predellenbi1der eigenhändig gemalt habe, soll übrigens nicht gesagt sein. 
2J J. P. l6ixAxeJ9.c und J. C. L. sZbx:ylee.H Katalog Ct880J, S. 124sssI25.
	        
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