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Buch.
Viertes
Abthei1ung.
und heiligen Familien der AltHorentiner; ihre religiöse Grundlage verslüchtigt
sich mit den immer zarter und dünner werdenden Heiligenscheinen; während
aber jene Darstellungen der Florentiner des I 5.Jahrhunderts ihre Weltlichkeit
oft mit nüchterner Hausbackenheit zur Schau tragen, erhebt Raphael die
seinen durch die Anmuth ihrer Formen und den Linienadel der Komposition
hoch über die Alltäglichkeit hinaus in das überirdische Reich freiester und
reinster Schönheit, und der Geist, der aus ihnen spricht, ist der Geist der feins
süh1endsten, sittenreinsten, edelsten Menschlichkeit. Fast immer bewegen diese
heiligen Frauen und Männer sich unter heiterem Himmel in schön abgestuften,
mit feinen Gebäuden und zarten Bäumen ausgestatteten mittelitalienischen Bergs
landschaften, deren Linien sich harmonisch der Figurenkomposition anschmiegen.
Die Farbenskala dieser Bilder ist hell und heiter; und wenn die umbrische
Wärme auch zum Theil dem kijhleren Tone der Florentiner Platz macht, so
zeigt die Gesammthaltung doch immer, dass Raphael seine Bilder auch in
koloristifcher Beziehung von Anfang an als künstlerische Einheiten empfand.
Dabei ist feine bald vollere, bald leicl1tere Pinselführung stets sorgfältig und
gediegen und weiss eine flüssige Modellirung und ein zartes Sfumato mit strenger
Durchbildung der Einzelheiten, eine Anlehnung an die Helldunkeltechnik mit
schönen, fatten L0kalfarben zu verbinden. Niemals aber drängt Raphaels
Kolorit sich als solches auf. 11Die Farbe dient nur, wie jegliches der übrigen
Darstellungsmittel, der Einheit des Ganzenc:.1J
Das Motiv der nMadonna mit dem BucheccsHndet sich jetzt noch öfter
auf erhaltenen Federfkizzen, z. B. in der 0xforder Sammlung und in der Albers
tina,2J auf einem ausgeführten Bilde aber nur noch in der freilich nicht ganz
Die vollendeten, doch gerade deshalb in ihrem lichten Farbenreize besonders lehrs
,KdF2iFxi7J.1T reichen, äusserst anmuthigen vMadonna aus dem Haufe Colonnae: in der Bers
M BMmiliner Galerie. In zahlreichen Variationen hat Raphael dagegen das Thema
des reinen Mutterglückes in Darstellungen der göttlichen Jungfrau mit dem
göttlichen Kinde ohne alles Beiwerk, sogar ohne das Buch, schon in dieser
Epoche Zum Ausdruck gebracht. Ernst und sinnend, in fast ftatuarifcher Hals
inJ;Y11diI:,ci3titung hebt die vMadonna del Granducaa im Pal. Pitti CFig. 368J von dem
zu FBkH;es2. dunklen Grunde des Bildes sich ab; lebhafter bewegt, drückt die in schöner
1v1sdkmk22 Landschaft stehende s1Madonna der Familie Tempiu Lin der Münchener Pinas
is1J1FJFÄsH.kothekJ ihren reizenden Knaben inbrünstig an die Brust; in etwas befangen
dt2EiZTH2 vorgebeugter Haltung blickt die ssMadonna des Hauses 0rleansec Cbeim Herzog
de8,ETZZ9s von Aumale in ChantillyJ auf ihr Knäblein hinab; in reifer, Wunderbarer Schöns
üj,Z,hF,TEZ1Z; heit dagegen strahlt die vMadonna auf der Steinbankcc bei Lord C0wper in Pans
ZI,Ts,0FJJ,sI; shanger, der auch die noch fchönere ssMadonna des Hauses Niccolini:k heHkzk,
CWDe7s Eine Erweiterung erhält dieses einfachste Madonnenmotiv zunächst durch
die Hinzufügung des kleinen Johannes, wie sie auch Leonardo und seiner Schule
Dis geläufig war, Bald naht er mit heiliger Scheu, das Kreuz im Arme, wie auf
1j1:iTIFsiFI2 dem schönen, wenngleich noch peruginesken Bilde der Horentiner Frühzeit
M Bahn. Rapl1aels, welches die Berliner Galerie unter dem Namen der ,2Mad01ma Tekka.
196.
und Ä.
II E. Z;2m7wfz;s.s Ueber die Grundfätze der 0e1ma1erei, Leipzig I876, S.
2Y Vg1, J, C. J6c2zfJzXe1J2.s A critical account etc. No. 23 11. 24 Cp. 138J
und Miche1ange1o, S. 64, 65, 66, 78.
FzJ7si7zgeJs,
RaiTael