nieder1kindifche Malerei
Jah1s11unc1erts.
I0. December I495, denn unter diesem Datum kommen feine drei minders
jährigen Kinder im Pupillenregister der Stadt vor II.
Mit Wahrscheinlichkeit kann man ferner annehmen, dass er ein Schüler
des Rogier van der Weyden gewesen, da er dem Stil, der Malweise und den
Typen desselben sehr nahe kommt. Als solchen nennen ihn auch schon Vasari
und Guicciardini, und eine Bestätigung bietet der Umstand, dass im Inventar
der Erzherzogin Margaretha ein Altärchen mit der Pietas von Rogier vors.
kommt, dessen Flügel, innen mit Engeln, aussen mit der Verkündigung, von
vMeister Hansa gemalt waren TO. In Deutschland hat er sich jedenfalls aufges
halten, denn die Ansichten von Köln aus dem Ur.sulafchrein find genau nach
der Wirklichkeit gemalt. In Italien war fein Name früh berühmt, und manche
Bilder von feiner Hand waren in jene oberitalienischen Sammlungen gelangt,
die der pAnony1nus des Morellia zu Anfang des I6. Jahrhunderts besuchte.
Dies ist um so erklärlicher, als Memlinc unter allen flandrifchen Meistern lHs.isrs3kt;.
dem modernen Gefühl am nächsten steht und von einem Schönl1eitf1nn ges chissisZ1Ti;2s.
leitet wird, den weder Jan van Eyck noch R0gier kennen. Der Körperbildung
sieht man an, dass er aus der Schule Rogier7s hervorgegangen; er bleibt bei
dessen schlanken Proportionen stehen, aber verfällt, da er sich mit ruhigen
Situationen begnügt, selten in die hastigen, eckigen, gewaltsamen Motive feines
Meisters. Auch stehen die einzelnen Theile des Körpers in besserem Vers
hä1tniss zu einander, Hände und Füsse sind c0rrecter, die Formen überhaupt
feiner verstanden. Auch die Gewandung ist ruhiger und reiner im Stil. Die
Köpfe, die von etwas schmalen Schulterpartien getragen werden, wiegen mits
unter noch zu sehr vor, aber in die Gesichter mit ihrer grossen Stirn, ihren
gesenkten oberen Augenlidern, fast ohne Brauen, weiss der Maler eigenthüms
lichen Reiz zu legen. Wenn Jan van Eyck bei aller Macht individuellen
Lebens doch gerade da.uns gleichgiltiger lässt, wo wir den Zauber der Weibs
lichkeit und der Jugend erwarten, wenn seine Christuskinder ältlich und mürs
rifch, seine Madonnen fäit nüchtern und anmuth1os find; wenn die meisten
anderen tlandrischen Maler trotz aller Leben5fül1e oft beim Bekümmerten,
Asketischen stehen bleiben, und wenn bei Rogier Schmerz und Leidenschaft
mit ganzer Härte durchbrechen, so erquickt Memlinc durch die holde Innigs
keit und stille Heiterkeit, die er über seine Gestalten ausgiesst. Ein Zug jener
minniglichen Zartheit und EmpHndungswärme, die in den Arbeiten der älteren
Kölner Schule anziehen, scheint aus ihn übergegangen zu fein. Befcheidens
heit und sanfte Würde gehen bei den Männern, Huld, Sinnigkeit, Demuth,
seelenreinheit bei den Frauen durch. Selbst der Ausdruck des Sch1nerzes ist
bei ihm durch angeborene Milde des XVesens gedämpft und tritt nur als sanfte
1J Besonders JVsw:Z.r Male, verschiedentlich im Beffroi, II, im Catalogne du musöe de lIac:aclemie
de Bruges und in der von der Arundel society herausgegebe11en Schrift: Hans Memlinc; a notice of
his life and works. I865.
2J Dagegen liegt kein Grund vor, wie FcJzJmaJe, VIII, S. 235, gethan hat, eine Stelle in den
Rechnungen über R0gier7s Bild für Cambrai Cz. ils Le:Hw2Ze a. a. O. I. S. LlXJ auf ihn zu beziehen.
Der plIayne, jone p0intreck, der dec0rative Arbeiten am Rahmen machte, nachdem der Altar aufges
stellt worden, ist nicht ohne weiteres mit Hans zu identificiren und wird dort auch nicht als Sc11i.iI8k
R0gier7s genannt, von dessen v0uvriersct viel früher die Rede ist, sondern kann ein Einhei1nifchcr ges
wesen fein.