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iertes Buch.
Abthei1ung.
Auffaffung, an fchöner Abrundung der ICompof1tionen im gegebenen Raume
und an geiftvoller Variation des einfachen Thema7s zu dem fchönften gehören,
was Michelangelo gefchaffen.
Ganz allein hat der Meister die ganze Decke der f1xtinifchen Kapelle ges
malt; die Gehilfen, die er sich anfangs aus Florenz verfchrieben Cunter ihnen
Meister wie Bugiardini und GranacciJ, fchickte er wieder heim, weil ihre Arbeit
TI,i;s,Fss ihm nicht genügte. In der Freskotechnik mufste er erst feine Erfahrungen
JJ;FJsz7; machen. Anfangs nahm er den Kalk zu wäfferig, fo dafs die Arbeit ihm vers
fchimmelte; Condivi berichtet, dafs Giuliano da Sanga1lo ihm in diefer Noth
mit feinem Rathe beigestanden habe. Dann vollendete er aber auch das Ganze
in reiner Freskotechnik; die Retouchirung auf trockenem Wege, die damals in
der italienifchen VVandmalerei viel üblicher war, als man einzugeftehen pflegt,
unterblieb zuerst nur, wie Condivi berichtet, wegen der Ungeduld des Papltes,
das Werk enthüllt zu fehen. Als diefer fpäter wünfchte, mit Ultramarin und
Blattgold nachgeholfen zu haben, weigerte Michelangelo sich, das Gerüft wieder
aufzufchlagen und das Werk blieb, wie es war, rein al fresco gemalt. Bald
find vier Jahrhunderte feit feiner Vollendung versloffen; der Rauch der Kerzen
hat es gefchwärzt, die Zeit hat Riffe hineingefprengt. Seine urfprüngliche
Farbenwirkung war ohne Zweifel frifcher, klarer und kräftiger, als die jetzige;
aber im koloristifchen Sinne war f1e ebenfo unzweifelhaft von Anfang an nicht
gedacht. Die Zeichnung fo1lte auch hier in erfter Linie wirken; und f1e wirkt
noch heute mit einer Wucht und inneren VVahrheit, die uns bei ihrem Anfchauen
eine VVeile vergeffen laffen, dafs es noch andere der Betrachtung werthe VVerke
auf der Erde giebt.
HYjZ:vzsu Einige Blätter mit Skizzen für Geftalten und Gruppen der Deckenbilder
derliüH:Hlceos haben sich in der 0xforder Sammlung erhalten: befonders beachtenswerth
sind die acht Blätter eines Skizzenbuches, in welches Michelangelo jedoch keine
Naturstudien, fondern freie Entwürfe mit fchwarzer Kreide und mit der Feder
und Bister gezeichnet hat.1J
8TI;ssZ8dIs Erft 22 Jahre nach der Vollendung der Decke begann Michelangelo fein
HEXE K8pEHssgrofses Gemä1de des jüngiten Gerichtes an der Altarwand der f1xtinifchen
Kapelle. Schon Clemens VI1. hatte es beftellt, fchon unter ihm hatte Micheli
angelo den Karten gezeichnet. Aber erst Paul III. bestand auf der wirklichen
Ausführung des Gemäldes. VVieder ging der Meister mit höchstem VViders
ftreben an die Arbeit Cfpäteftens zu Anfang des Jahres I535J, wieder arbeitete
er mit Feuereifer ganz allein an dem Gemälde, welches vielleicht noch immer
das gröfste Freslco der Welt ift. Nach sieben Jahren2J war es vollendet.
Am VVeihnachtstage 1541 wurde es enthüllt und fetzte die ganze VVelt in
Aufregung.
BFJFn1;sfTs Michelangelo hat den jüngsten Tag als vDies iraecs, als Tag des Zornes
aufgefafst. Christus thront in der Mitte des oberen Theiles des Bi1des, im
Begriffe aufzufpringen, um mit erhobener Rechten und Zornigen Blicken die
II C. lFc2äiJ2Jw2.s The clrawings of Michelangelo and RaiTaello in the University Galleries.
Oxford, 187o, p. 27ss45.
2J Vafari fagt: Nach acht Jahren. Da es aber frühestens im Spätherbst I 534 begonnen fein
kann, fo End nicht mehr als Geben Jahre l1erauszurechnen, wenn Vafari den Enthül1ungstag richtig
angiebt.
Raffae11
the University
Ga11eries.